22.03.2021

Elektronen mit Gitterschwingungen gekoppelt

2D-Material zeigt maßgeschneiderte elektronische Eigenschaften.

In einem Kubikzentimeter eines Festkörpers befindet sich typischer­weise die unvorstellbar große Zahl von 1023 Elektronen. Selbst eine scheinbar einfache Wechselwirkung zwischen Elektronen kann in einem derart extremen Vielteilchen­problem zu verblüffenden Korre­lationen führen. Diese können bestimmte Festkörper in Supraleiter verwandeln, die elektrischen Strom völlig verlustfrei leiten. Die Entdeckung von atomar dünnen Schicht­materialien wie Graphen oder Übergangs­metall-Dichal­kogeniden hat jedoch Möglichkeiten eröffnet, Elektronenk­orrelationen und Phasen­übergänge aktiv maßzuschneidern. Durch präzises Stapeln zweier Graphenlagen unter bestimmten Winkeln kann beispielsweise ein künst­licher Supraleiter hergestellt werden. Theo­retische Arbeiten sagen voraus, dass auch die Kopplung der Elektronen an Atom­schwingungen in den Schicht­kristallen die Wechselwirkung der Elektronen entscheidend beeinflussen dürfte.

Abb.: Illustration der Kopplung zwischen Exziton und Gitter­schwingungen über...
Abb.: Illustration der Kopplung zwischen Exziton und Gitter­schwingungen über eine Wolfram­diselenid-Gips-Grenzfläche hinweg. (Bild: P. Merkl)

Regensburger Physiker um Rupert Huber haben in einer Zusammen­arbeit mit der Gruppe von Ermin Malic an der Philipps Universität in Marburg nun einen neuen Ansatz entwickelt, um die Wechsel­wirkung zwischen Elektronen in atomar dünnen Kristallen durch Kopplung an polare Gitter­schwingungen eines benachbarten Materials zu kontrollieren. Dazu wurden Monolagen eines Übergangs­metall-Dichalkogenids mit einer Schicht aus Calciumsulfat­dihydrat, also schlicht Gips, bedeckt. Um die Kopplungs­stärke zwischen Elektronen und Gitter­schwingungen zu bestimmen, regten die Physiker zunächst Elektronen in einer halbleitenden Wolfram­diselenid-Monolage mit Hilfe eines ultrakurzen Laserblitzes an.

Dabei bleibt eine Fehlstelle am ursprüng­lichen Platz des Elektrons zurück. Aufgrund ihrer gegen­sätzlichen Ladung sind Elektron und Fehlstelle durch die Coulomb-Anziehungs­kraft aneinander gebunden und bilden ein Exziton. Um die Wechsel­wirkung zwischen den Ladungs­trägern zu bestimmen, beobachten die Physiker die atom­ähnliche Energiestruktur der Exzitonen mit ultra­kurzen infraroten Lichtimpulsen. Das überraschende Ergebnis: Wird die Wolfram­diselenid-Mono­lagen mit einer dünnen Gipsschicht bedeckt, veränderte sich die interne Struktur der Exzitonen deutlich.

„Allein die räumliche Nähe der Gipsschicht reicht aus, um eine starke Kopplung der internen Struktur der Exzitonen an polare Gitter­schwingungen der Gipsstruktur zu erzeugen", sagt Philipp Merkl. Obwohl dieser Kopplungs­mechanismus zwischen Elektronen und Atom­schwingungen in verschiedenen atomar dünnen Schichten stattfindet, ist die Wechsel­wirkung so stark, dass sie zu einem neuen Quasi­teilchen verschmelzen. Danach fügten die Forscher eine weitere atomar dünne Schicht zwischen Wolfram­diselenid und Gips ein. Damit gelang es ihnen, den räum­lichen Abstand zwischen Elektronen und Phononen atomar genau einzustellen. „Mit dieser Strategie konnten wir die Kopplungs­stärke mit noch höherer Präzision kontrollieren", sagt Chaw-Keong Yong. „So dürften neue maßge­schneiderte elektronische Eigenschaften in zwei­dimensionalen Materialien rea­lisierbar werden, die Anwendung in verlust­freier Elektronik und Quanten­informations­technologien der Zukunft finden könnten.“

U. Regensburg / JOL

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