Elektronen mit Gitterschwingungen gekoppelt
2D-Material zeigt maßgeschneiderte elektronische Eigenschaften.
In einem Kubikzentimeter eines Festkörpers befindet sich typischerweise die unvorstellbar große Zahl von 1023 Elektronen. Selbst eine scheinbar einfache Wechselwirkung zwischen Elektronen kann in einem derart extremen Vielteilchenproblem zu verblüffenden Korrelationen führen. Diese können bestimmte Festkörper in Supraleiter verwandeln, die elektrischen Strom völlig verlustfrei leiten. Die Entdeckung von atomar dünnen Schichtmaterialien wie Graphen oder Übergangsmetall-Dichalkogeniden hat jedoch Möglichkeiten eröffnet, Elektronenkorrelationen und Phasenübergänge aktiv maßzuschneidern. Durch präzises Stapeln zweier Graphenlagen unter bestimmten Winkeln kann beispielsweise ein künstlicher Supraleiter hergestellt werden. Theoretische Arbeiten sagen voraus, dass auch die Kopplung der Elektronen an Atomschwingungen in den Schichtkristallen die Wechselwirkung der Elektronen entscheidend beeinflussen dürfte.
Regensburger Physiker um Rupert Huber haben in einer Zusammenarbeit mit der Gruppe von Ermin Malic an der Philipps Universität in Marburg nun einen neuen Ansatz entwickelt, um die Wechselwirkung zwischen Elektronen in atomar dünnen Kristallen durch Kopplung an polare Gitterschwingungen eines benachbarten Materials zu kontrollieren. Dazu wurden Monolagen eines Übergangsmetall-Dichalkogenids mit einer Schicht aus Calciumsulfatdihydrat, also schlicht Gips, bedeckt. Um die Kopplungsstärke zwischen Elektronen und Gitterschwingungen zu bestimmen, regten die Physiker zunächst Elektronen in einer halbleitenden Wolframdiselenid-Monolage mit Hilfe eines ultrakurzen Laserblitzes an.
Dabei bleibt eine Fehlstelle am ursprünglichen Platz des Elektrons zurück. Aufgrund ihrer gegensätzlichen Ladung sind Elektron und Fehlstelle durch die Coulomb-Anziehungskraft aneinander gebunden und bilden ein Exziton. Um die Wechselwirkung zwischen den Ladungsträgern zu bestimmen, beobachten die Physiker die atomähnliche Energiestruktur der Exzitonen mit ultrakurzen infraroten Lichtimpulsen. Das überraschende Ergebnis: Wird die Wolframdiselenid-Monolagen mit einer dünnen Gipsschicht bedeckt, veränderte sich die interne Struktur der Exzitonen deutlich.
„Allein die räumliche Nähe der Gipsschicht reicht aus, um eine starke Kopplung der internen Struktur der Exzitonen an polare Gitterschwingungen der Gipsstruktur zu erzeugen", sagt Philipp Merkl. Obwohl dieser Kopplungsmechanismus zwischen Elektronen und Atomschwingungen in verschiedenen atomar dünnen Schichten stattfindet, ist die Wechselwirkung so stark, dass sie zu einem neuen Quasiteilchen verschmelzen. Danach fügten die Forscher eine weitere atomar dünne Schicht zwischen Wolframdiselenid und Gips ein. Damit gelang es ihnen, den räumlichen Abstand zwischen Elektronen und Phononen atomar genau einzustellen. „Mit dieser Strategie konnten wir die Kopplungsstärke mit noch höherer Präzision kontrollieren", sagt Chaw-Keong Yong. „So dürften neue maßgeschneiderte elektronische Eigenschaften in zweidimensionalen Materialien realisierbar werden, die Anwendung in verlustfreier Elektronik und Quanteninformationstechnologien der Zukunft finden könnten.“
U. Regensburg / JOL