08.06.2021

Elektronischer Fingerabdruck für Mikrochips

Verbundprojekte im Rahmen der Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ gestartet.

Jedes digitale System ist nur so gut wie die darin verbaute Hardware. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Zuver­lässigkeit von elek­tronischen Bauteilen wie Chips, Leiterplatten oder programmier­baren Schaltungen. Mit der Leit­initiative „Vertrauens­würdige Elektronik“ des Bundes­ministeriums für Bildung und Forschung möchte die Bundes­regierung elektronische Komponenten und Systeme sicherer machen. Ulmer Wissenschaftler vom Institut für Mikro­elektronik sind an gleich zwei Projekten beteiligt, die über diese Initiative gefördert werden. Sie erhalten insgesamt rund eine Million Euro für die Entwicklung eines elek­tronischen Fingerabdrucks für Elektronik­komponenten, um einzelne Komponenten und integrierte Systeme eindeutig zu identifizieren.

Abb.: Um Elektronik-Bauteile sicherer zu machen, sollen sie mit einem...
Abb.: Um Elektronik-Bauteile sicherer zu machen, sollen sie mit einem elektro­nischen Finger­abdruck versehen werden. (Bild: F. Hagmeyer, U. Ulm)

„Tag für Tag vertrauen wir darauf, dass die Technik einwandfrei funktioniert. Doch wie können wir wissen, ob die verbauten technischen Teile unser Vertrauen zu Recht genießen? Denn einzelne Komponenten könnten gefälscht, manipuliert oder auch einfach mangelhaft sein“, gibt Maurits Ortmanns zu Bedenken. Der Leiter des Instituts für Mikro­elektronik an der Universität ist an zwei Verbund­projekten beteiligt, die im Rahmen der BMBF-Leit­initiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ mit insgesamt über 22 Millionen Euro gefördert werden. Im Mittelpunkt dieser Initiative steht die Gewähr­leistung von Echtheit, Funktionalität und Versorgungs­sicherheit mit dem lang­fristigen Ziel, die techno­logische Souveränität der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft zu sichern. 

Im Projekt VE-VIDES geht es um die Entwicklung eines ganzheit­lichen Sicherheits­konzepts für Elektronik­systeme, das vor Angriffen, Mani­pulationen und vor Produkt­piraterie schützen soll. Ziel ist es, elektronische Bauteile mit einem Fingerabdruck identi­fizierbar zu machen. Behandelt werden Anwendungsfälle aus den Bereichen Autonomes Fahren und Industrie 4.0. Später sollen die Ergebnisse auf die Medizin- und Kommunikations­technik sowie die Luft- und Raumfahrt übertragen werden. Insgesamt zwölf Projektpartner sind an dem Projekt beteiligt, das vom Halbleiter­hersteller Infineon koordiniert wird. Dazu gehören Industrieunternehmen wie VW, Bosch und Siemens sowie mehrere Mikro­elektronik- und Halbleiter-Forschungs­institute aus der Wirtschaft und Wissenschaft. Neben der Uni Ulm ist auch die TU Chemnitz sowie das Fraunhofer Institut für Inte­grierte Schaltungen mit von der Partie. Für die dreijährige Laufzeit des Forschungs­vorhabens stehen den Beteiligten insgesamt 16,3 Millionen Euro zur Verfügung. 

Ein zweites Verbund­projekt aus der Leit­initiative, an dem die Uni Ulm ebenfalls beteiligt ist, hat eine ähnliche Stoßrichtung. Unter der Abkürzung VE-FIDES widmet es sich gleichfalls der Herstellung digitaler Identität. Besonders im Fokus stehen dabei Verfahren, die es möglich machen, einzelne Bauteile sowie ganze Systeme über die gesamte Produktionskette zurückzu­verfolgen. Ein Echtheits­nachweis soll dabei verhindern, dass gefälschte beziehungsweise minderwertige Elektronik­teile in Umlauf geraten und verbaut werden. Das von Siemens koordinierte Forschungs­projekt zählt neben der TU München, der Uni Ulm und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit die Unternehmen Continental Auto­motive, Infineon und Bischoff Elektronik zu seinen Projekt­partnern. Auf VE-FIDES entfallen insgesamt gut sechs Millionen Euro, die ebenfalls für drei Jahre zur Verfügung stehen. 

Die Aufgabe der Ulmer Wissenschaftler vom Institut für Mikroelektronik besteht darin, einen fälschungs­sicheren physi­kalischen Fingerabdruck für elektronische Leiterplatten, programmier­bare Schaltungen und integrierte Schaltkreise – FPGA und Micro­controller – zu entwickeln. Der elektronische Fingerabdruck soll dabei helfen heraus­zufinden, ob ein Bauteil ein Original ist. Wurde es verändert, um der Anwendung zu schaden? Ist es gefälscht beziehungs­weise unrechtmäßig nachgemacht? „In der eindeutigen Identi­fizierbarkeit von Elektronik-Komponenten liegt der Schlüssel zu mehr Zuver­lässigkeit und Vertrauen“, glaubt Ortmanns. Und wie entsteht nun solch ein elek­tronischer Fingerabdruck? „Bei der Produktion der Bauteile kommt es zu unver­meidlichen Prozess­schwankungen, die im Nanobereich zu kleinsten Abweichungen führen. Ein erster roher Fingerabdruck entsteht mit der Erfassung dieser Vielzahl an zufälligen Unterschieden. Methoden der Signal­verarbeitung, Kodierung und Verschlüsselung verbessern diesen Rohabdruck, und mit der anschließenden Härtung wird der Fingerabdruck robust gegenüber Temperatur­schwankungen und Alterungs­prozessen. Damit wird es möglich, das Bauteil über die gesamte Lebensdauer zu identi­fizieren“, erklärt der Ulmer Ingenieur. 

U. Ulm / JOL

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