Elektronischer Fingerabdruck für Mikrochips
Verbundprojekte im Rahmen der Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ gestartet.
Jedes digitale System ist nur so gut wie die darin verbaute Hardware. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Zuverlässigkeit von elektronischen Bauteilen wie Chips, Leiterplatten oder programmierbaren Schaltungen. Mit der Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung möchte die Bundesregierung elektronische Komponenten und Systeme sicherer machen. Ulmer Wissenschaftler vom Institut für Mikroelektronik sind an gleich zwei Projekten beteiligt, die über diese Initiative gefördert werden. Sie erhalten insgesamt rund eine Million Euro für die Entwicklung eines elektronischen Fingerabdrucks für Elektronikkomponenten, um einzelne Komponenten und integrierte Systeme eindeutig zu identifizieren.
„Tag für Tag vertrauen wir darauf, dass die Technik einwandfrei funktioniert. Doch wie können wir wissen, ob die verbauten technischen Teile unser Vertrauen zu Recht genießen? Denn einzelne Komponenten könnten gefälscht, manipuliert oder auch einfach mangelhaft sein“, gibt Maurits Ortmanns zu Bedenken. Der Leiter des Instituts für Mikroelektronik an der Universität ist an zwei Verbundprojekten beteiligt, die im Rahmen der BMBF-Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ mit insgesamt über 22 Millionen Euro gefördert werden. Im Mittelpunkt dieser Initiative steht die Gewährleistung von Echtheit, Funktionalität und Versorgungssicherheit mit dem langfristigen Ziel, die technologische Souveränität der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft zu sichern.
Im Projekt VE-VIDES geht es um die Entwicklung eines ganzheitlichen Sicherheitskonzepts für Elektroniksysteme, das vor Angriffen, Manipulationen und vor Produktpiraterie schützen soll. Ziel ist es, elektronische Bauteile mit einem Fingerabdruck identifizierbar zu machen. Behandelt werden Anwendungsfälle aus den Bereichen Autonomes Fahren und Industrie 4.0. Später sollen die Ergebnisse auf die Medizin- und Kommunikationstechnik sowie die Luft- und Raumfahrt übertragen werden. Insgesamt zwölf Projektpartner sind an dem Projekt beteiligt, das vom Halbleiterhersteller Infineon koordiniert wird. Dazu gehören Industrieunternehmen wie VW, Bosch und Siemens sowie mehrere Mikroelektronik- und Halbleiter-Forschungsinstitute aus der Wirtschaft und Wissenschaft. Neben der Uni Ulm ist auch die TU Chemnitz sowie das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen mit von der Partie. Für die dreijährige Laufzeit des Forschungsvorhabens stehen den Beteiligten insgesamt 16,3 Millionen Euro zur Verfügung.
Ein zweites Verbundprojekt aus der Leitinitiative, an dem die Uni Ulm ebenfalls beteiligt ist, hat eine ähnliche Stoßrichtung. Unter der Abkürzung VE-FIDES widmet es sich gleichfalls der Herstellung digitaler Identität. Besonders im Fokus stehen dabei Verfahren, die es möglich machen, einzelne Bauteile sowie ganze Systeme über die gesamte Produktionskette zurückzuverfolgen. Ein Echtheitsnachweis soll dabei verhindern, dass gefälschte beziehungsweise minderwertige Elektronikteile in Umlauf geraten und verbaut werden. Das von Siemens koordinierte Forschungsprojekt zählt neben der TU München, der Uni Ulm und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit die Unternehmen Continental Automotive, Infineon und Bischoff Elektronik zu seinen Projektpartnern. Auf VE-FIDES entfallen insgesamt gut sechs Millionen Euro, die ebenfalls für drei Jahre zur Verfügung stehen.
Die Aufgabe der Ulmer Wissenschaftler vom Institut für Mikroelektronik besteht darin, einen fälschungssicheren physikalischen Fingerabdruck für elektronische Leiterplatten, programmierbare Schaltungen und integrierte Schaltkreise – FPGA und Microcontroller – zu entwickeln. Der elektronische Fingerabdruck soll dabei helfen herauszufinden, ob ein Bauteil ein Original ist. Wurde es verändert, um der Anwendung zu schaden? Ist es gefälscht beziehungsweise unrechtmäßig nachgemacht? „In der eindeutigen Identifizierbarkeit von Elektronik-Komponenten liegt der Schlüssel zu mehr Zuverlässigkeit und Vertrauen“, glaubt Ortmanns. Und wie entsteht nun solch ein elektronischer Fingerabdruck? „Bei der Produktion der Bauteile kommt es zu unvermeidlichen Prozessschwankungen, die im Nanobereich zu kleinsten Abweichungen führen. Ein erster roher Fingerabdruck entsteht mit der Erfassung dieser Vielzahl an zufälligen Unterschieden. Methoden der Signalverarbeitung, Kodierung und Verschlüsselung verbessern diesen Rohabdruck, und mit der anschließenden Härtung wird der Fingerabdruck robust gegenüber Temperaturschwankungen und Alterungsprozessen. Damit wird es möglich, das Bauteil über die gesamte Lebensdauer zu identifizieren“, erklärt der Ulmer Ingenieur.
U. Ulm / JOL