16.05.2018

Es werde Materie!

Erstversuch zur Erzeugung von Materie aus Licht könnte Tür zu einer neuen Physik öffnen.

Sag niemals nie, das gilt in der Wissenschaft genauso wie in vielen anderen Lebens­lagen. Und doch glaubten die Vor­denker der Quanten­elektro­dynamik, dass man ihre theore­tischen Fest­stel­lungen niemals prak­tisch nach­weisen könnte. So beschrieben Gregory Breit und John Wheeler 1934 erst­mals, wie sich Licht durch Erzeu­gung eines Elek­tronen-Posi­tronen-Paares in Materie umwandeln ließe. Nobel­preis­träger Julian Schwinger führte dies in den 1960er Jahren fort, indem er postu­lierte, dass man bei sehr hoher Feld­stärke Elek­tronen und Posi­tronen aus dem Vakuum heraus­reißen könnte. Diese Theorie der Quanten­elektro­dynamik ist welt­weit akzep­tiert, einzig ihre Gültig­keit bei hohen Feld­stärken und der direkte Nach­weis von Paar­erzeu­gung aus dem Vakuum steht aus – bis jetzt.

Abb.: Dominik Hollatz bei „seinen“ Magneten, die die Elek­tronen-Posi­tronen-Paare ablenken und ohne die das Experi­ment nicht möglich wäre. (Bild: C. Rödel, FSU)

„Wir sind gerade mitten im Versuch, die Tür zu einer neuen Physik zu öffnen“, sagt Christian Rödel von der Uni Jena, „der Schwinger-Physik.“ Erst­mals haben sich dazu inter­natio­nale Wissen­schaftler­teams zusammen­getan, um am Ruther­ford Appleton Labo­ra­tory in der Nähe von Oxford in England das neu­artige Experi­ment zu wagen. „Durch moderne Laser­techno­logie und extrem inten­sive Laser­strahlung ist das früher Unmög­liche denk­bar geworden – dass wir durch Licht-Licht-Wechsel­wirkung Materie erzeugen“, so Rödel weiter. In einer vier Quadrat­meter großen Vakuum­kammer lassen die Forscher dafür hoch­energe­tische Photonen mit einem Hoch­inten­sitäts­laser­strahl kolli­dieren. Bei der Kollision sollten nach der QED-Theorie einige Elek­tronen-Posi­tronen-Paare ent­stehen, also Materie und Anti­materie, die als geladene Teil­chen von mehreren Magneten abge­lenkt und dann von einem extrem empfind­lichen Detektor­system gemessen werden können.

Zentralen Anteil am Versuchsaufbau haben Doktoranden von der Uni Jena: Dominik Hollatz hat wesent­lich zur Ent­wick­lung der Magneten bei­ge­tragen, die die Elek­tronen-Posi­tronen-Paare ablenken und ohne die das Experi­ment nicht möglich wäre. Andreas Seidel hat außer­dem eine spezi­elle Plasma­linse mit­ent­wickelt, die eine größere Photonen­dichte im Experi­ment sicher­stellt. Beide werden Aspekte des Experi­ments in ihren Disser­ta­tionen aus­werten und beschreiben. Auch die weiteren Wissen­schaftler werden sich in den kommenden Monaten mit der Analyse der riesigen Menge an Daten befassen.


„Ob der Versuch glückt oder nicht, wir betreten hier komplettes Neuland. Das könnte die Teilchen­physik revolu­tio­nieren“, sagt Rödel. „Die Effekte, die wir unter­suchen, könnten wich­tige Prozesse sein, die in den ersten hundert Sekunden nach dem Urknall abge­laufen sind – als allein aus Licht Materie ent­standen ist." Auch deshalb ent­stehen derzeit in Europa drei große Forschungs­zentren, die QED-Effekte in starken Laser­feldern unter­suchen und die Physik im Sinne Julian Schwingers – und des Erst­ver­suchs – voran­treiben werden.

FSU / RK

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