07.06.2011

Europa sucht das Superforschungsprojekt

Der Wettbewerb um die großangelegten Flagship-Projekte der EU geht in eine neue Runde

Physik Journal – Der Wettbewerb um die großangelegten Flagship-Projekte der EU geht in eine neue Runde.

In „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams erweist sich der Planet Erde als „ein Computer von so unendlicher und unerhörter Kompliziertheit, dass das organische Leben selbst einen Teil seiner Arbeitsmatrix bildet“. Das klingt nach reinem Science Fiction-Garn, ist aber auf den zweiten Blick gar nicht so realitätsfern, wie die Projekte für die europäische Flagship-Initiative zeigen. Die EU hat diese im Rahmen des Programms „Future and Emerging Technologies” (FET) Ende 2009 ins Leben gerufen, um großangelegte Forschungsprojekte ausfindig zu machen, die ganz wesentlich auf Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) beruhen oder revolutionäre Ergebnisse dafür versprechen. Ziel ist es, ab 2013 zwei solcher Projekte über einen Zeitraum von zehn Jahren mit der beachtlichen Summe von rund einer Milliarde Euro zu fördern. Aus den insgesamt zwei Dutzend Vorschlägen sind nun Anfang Mai in Budapest sechs Projekte ausgewählt worden (Tabelle), die jeweils 1,5 Millionen Euro erhalten, um ihre Projektvorschläge bis Mai 2012 weiterzuentwickeln und zu konkretisieren. Die daraus ausgewählten FET-Flagships sollen dann ab 2013 ihre ambitionierten Forschungs¬vorhaben in Angriff nehmen.


 

Abb.: Das Projekt „FuturICT“, welches zu den sechs ausgewählten „Flagship Pilots“ gehört, will unter anderem modellieren, wie sich politische Entscheidungen global auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft auswirken (Bild: www.futurict.eu)

 Eines davon ist „FuturICT“, das mit dem Plan für einen weltumspannenden Computer der Vision der Erde als Computer am nächsten kommen dürfte: Eine „Living Earth Platform“ soll es einmal ermöglichen, fast die gesamten weltweit verfügbaren Daten analysieren zu können, etwa um Naturkatastrophen vorherzusagen oder soziale oder wirtschaftliche Umwälzungen auf globalem Maßstab frühzeitig zu erkennen.

In die atomaren Dimensionen begibt sich dagegen die Flagship-Initiative „GRAPHENE“, die das große technische Potenzial von Graphen, einer Monolage aus Kohlenstoffatomen, möglichst rasch wirtschaftlich ausnutzen möchte. Forschung und Industrie versprechen sich von den außergewöhnlichen mechanischen, elektronischen und optischen Eigenschaften von Graphen revolutionäre Innovationen für Hochgeschwindigkeitselektronik und Datenverarbeitung. Die Herausforderung liegt hierbei insbesondere darin, die zersplitterte Forschungslandschaft im Bereich Graphen auf europäischen Maßstab und über die Fächergrenzen hinweg noch wirkungsvoller zu koordinieren und dabei Grundlagenforschung und Industrie zusammenzubringen. Derzeit umfasst die Graphen-Flagship-Initiative bereits mehr als 130 Forschungsgruppen aus 21 europäischen Ländern.

Das „Human Brain Project“ vereint ebenfalls Wissenschaftler aus über hundert Forschungseinrichtungen der unterschiedlichsten Disziplinen: Neurowissenschaft, Genetik, angewandte Mathematik, Computerwissenschaft, Robotik und Sozialwissenschaften. Hauptziel ist es, das menschliche Gehirn so im Computer zu simulieren, dass Forscher damit alle Aspekte des Gehirns, von kleinen Neuronengruppen bis zur Gesamtaktivität der Hirnrinde, messen und beeinflussen können. Dafür ist es nicht nur nötig, eine umfangreiche Supercomputer-Infrastruktur zu entwickeln, mit der sich die immer detaillierteren Modelle des Gehirns mit immer mehr Neuronen simulieren lassen, sondern auch die gewaltigen Datenmengen aus Universitäten und Krankenhäusern zusammenzutragen, welche z. B. die Rolle bestimmter Gene, Aspekte des elektrischen Verhaltens von Neuronen und ihrer Vernetzung oder die Mechanismen einer neurologischen Erkrankung betreffen.

Ähnlichen Herausforderungen stellt sich „ITFoM“ (IT Future of Medicine), das mithilfe modernster Informations- und Kommunikationstechnologie alle relevanten genetischen und klinischen Daten erschließen und der Medizin damit neue Wege ebnen soll.

Unter der Bezeichnung „Guardian Angels“ (Schutzengel) verbirgt sich ein Projekt, das im großen Maßstab energieautarke Sensorik, fest montiert oder in mobilen Geräten zum Einsatz bringen möchte, etwa zur Steuerung, Umweltüberwachung oder dem medizinischen Monitoring.

Das Projekt „RoboCom“ widmet sich schließlich der Entwicklung möglichst lebensechter Roboter, die dem Menschen einmal in den unterschiedlichsten Situationen hilfreich zur Seite stehen könnten. Dieses hochgesteckte Ziel klingt tatsächlich sehr nach Zukunftsmusik, doch den beteilig¬ten Forschern schwebt mehr vor als ein „Kunststoff-Freund für die schönen Stunden des Lebens“, wie Roboter in Douglas Adams Science Fiction-Satire scherzhaft bezeichnet werden. Das macht auch das Motto deutlich, unter dem die Budapester Konferenz stand: „Science beyond Fiction“.

Alexander Pawlak, Physik Journal

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