Europas größtes Sonnenteleskop mit geschärftem Blick
Nach umfassender Neugestaltung der GREGOR-Optik können Forscher die Sonne mit höherer Auflösung als je zuvor beobachten
Das größte europäische Sonnenteleskop GREGOR, das von einem deutschen Konsortium betrieben wird und sich am Teide-Observatorium auf Teneriffa befindet, hat gestochen scharfe Bilder der Feinstruktur der Sonne aufgenommen. Nach einer umfassenden Neugestaltung der GREGOR-Optik durch ein Team von Wissenschaftlern und Ingenieuren des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik kann die Sonne jetzt von Europa aus mit einer höheren Auflösung als je zuvor beobachtet werden. Mit GREGOR können Wissenschaftler Details von nur fünfzig Kilometern auf der Sonne auflösen, was einem winzigen Bruchteil des Sonnendurchmessers von 1,4 Millionen km entspricht.
„In nur einem Jahr haben wir Optik, Mechanik und Elektronik komplett neu gestaltet, um die bestmögliche Bildqualität zu erzielen. “ sagt Lucia Kleint, die das Projekt und die deutschen Sonnenteleskope auf Teneriffa leitet. Ein großer technischer Durchbruch gelang dem Projektteam im März dieses Jahres während der Ausgangssperre, als sie am Observatorium gestrandet waren und das optische Labor von Grund auf umbauten. Leider verhinderten Schneestürme Sonnenbeobachtungen. Als Spanien im Juli wiedereröffnet wurde, flog das Team sofort zurück und nahm die Bilder der Sonne mit der höchsten Auflösung auf, die jemals von einem europäischen Teleskop erreicht wurde.
Svetlana Berdyugina von der Uni Freiburg und Direktorin des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik freut sich sehr über die hervorragenden Ergebnisse: „Das Projekt war ziemlich riskant, da solche Teleskop-Umbauten in der Regel Jahre dauern. Aber die großartige Teamarbeit und die sorgfältige Planung haben zu diesem Erfolg geführt. Jetzt haben wir ein mächtiges Instrument, um Rätsel auf der Sonne zu lösen.“ Mit der neuen Optik des Teleskops können Wissenschaftler Magnetfelder, Konvektion, Turbulenzen, Sonneneruptionen und Sonnenflecken detailliert untersuchen. Erste Bilder, die im Juli 2020 aufgenommen wurden, zeigen erstaunliche Details der Sonnenfleckenentwicklung und komplizierter Strukturen im Solarplasma.
Teleskopoptiken sind höchst komplexe Systeme aus Spiegeln, Linsen, Glaswürfeln, Filtern und weiteren optischen Elementen. Wenn nur ein Element nicht perfekt ist, beispielsweise aufgrund von Herstellungsproblemen, leidet die Leistung des gesamten Systems. Das GREGOR-Team stieß auf mehrere solcher Probleme und berechnete Optikmodelle, um sie zu lösen. So konnten die Forscher den Astigmatismus korrigieren, indem sie zwei Elemente durch „Off-axis“-Parabolspiegel ersetzten, die mit einer Genauigkeit von sechs Nanometern poliert werden mussten. In Kombination mit mehreren weiteren Verbesserungen führte die Neugestaltung zu einer schärferen Abbildung des Teleskops. Europäische Wissenschaftler haben über nationale Programme und ein von der Europäischen Kommission finanziertes Programm Zugang zu Beobachtungen mit dem GREGOR-Teleskop. Neue wissenschaftliche Beobachtungen beginnen im September 2020.
KIS / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L.Kleint et al.: GREGOR: Optics redesign and updates from 2018-2020, Astron. Astroph. 641, A27 (2020); DOI: 10.1051/0004-6361/202038208 - GREGOR Solar Telescope, Leibniz-Institut für Sonnenphysik (KIS), Freiburg