Experimente im Orbit
Die Gewinner des DLR-Studentenwettbewerbs „Überflieger“ schicken ihre Versuche mit Alexander Gerst zur ISS.
Einmal an Bord der Internationalen Raumstation ISS die Erde umrunden? Für die Experimente der drei Siegerteams des DLR-Studentenwettbewerbs „Überflieger“ geht dieser Wunsch in Erfüllung. Zwei Versuche zur Planetenentstehung und einer zur Raumfahrttechnologie starten im Sommer 2018 zur ISS. An Bord betreut sie der deutsche Astronaut Alexander Gerst und hält sie mindestens 30 Tage lang in Betrieb.
Mitte Dezember hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Studierende aller deutschen Hochschulen eingeladen, ihre Ideen für ein Experiment an Bord der ISS einzureichen. Für die Teams galt es zunächst, das wissenschaftliche Ziel auszuarbeiten und ein erstes technisches Design zu entwerfen. Die Anforderungen an den Aufbau sind sehr hoch: Der gesamte Versuch muss in eine Box von der Größe einer Brotdose passen, darf nicht mehr als zehn Kilogramm wiegen und soll mit maximal 5 V Gleichspannung auskommen. Mit dem Antrag mussten die Mannschaften unter anderem Sicherheitsfragen beantworten, z. B. nach entflammbaren Stoffen oder der Lichtempfindlichkeit des Experiments, und zu Fragen der Öffentlichkeitsarbeit Stellung nehmen.
Insgesamt acht Teams aus ganz Deutschland überzeugten die DLR von ihren Ideen und der geplanten Umsetzung und qualifizierten sich für die Endrunde des Wettbewerbs. Während eines zweitägigen Auswahlworkshops präsentierten sie ihre Experimente und stellten sich den strengen und kritischen Fragen der Experten. Am Ende entschied sich die Jury, der unter anderen Gert-Ludwig Ingold (DPG-Vorstand für Bildung und wissenschaftlichen Nachwuchs) und der deutsche Astronaut Gerhard Thiele angehörten, für Experimente zur Planetenentstehung und Raumfahrttechnologie.
Das Experiment EXCISS (Experimental Chondrule Formation at the ISS) geht der Frage nach, wie die so genannten Chondren entstanden sind. Sie sind die Grundbausteine, aus denen sich später die Planeten gebildet haben könnten. Die Studierenden der Goethe-Universität Frankfurt am Main untersuchen die These, ob Blitze die Staubpartikel im frühen Sonnensystem so stark aufheizen konnten, dass sie zu Chondren verschmolzen. Dazu stellen sie die Bedingungen in einer Wolke aus Gas und Staubpartikeln im frühen Sonnensystem nach: Als Blitze dienen die Entladungen eines Plattenkondensators, als Staubteilchen kommen Eisen- und Magnesium-reiche Silikate zum Einsatz.
Auch das Team von der Universität Duisburg-Essen interessiert sich für Planetenentstehung. Mit dem Projekt ARISE (Planet formation due to charge induced clustering on ISS) wird untersucht, welche Rolle elektrische Aufladungen bei der Geburt von neuen Himmelskörpern spielen. Während Partikel bis zu einer Größe von mehreren Zentimetern Durchmesser bei Zusammenstößen aneinander haften bleiben, könnten größere Zusammenballungen durch elektrische Wechselwirkung entstehen. Um diese Annahme zu überprüfen, ersetzen die Studierenden die kosmischen Partikel durch Glasperlen und beobachten ihr Zusammenstoßen unter Schwerelosigkeit.
Dagegen schaffte das Team von der Universität Stuttgart mit einem Technologie-Experiment den Sprung auf die ISS. Die Studierenden untersuchen eine neuartige Pumpentechnologie, die ohne mechanische Bauteile auskommt und auf der Bewegung einer Flüssigkeit mit kleinsten magnetischen Teilchen durch einen Elektromagneten beruht. In zwei Teilexperimenten beobachten sie den Transport der Flüssigkeit sowie von kleinen Feststoffkügelchen unter Schwerelosigkeit, um die Fehleranfälligkeit der Technik zu testen.
Für die drei interdisziplinären Teams geht es nun weiter auf dem Weg zu einer gelungenen Raumfahrtmission. Innerhalb eines Jahres müssen die Anlagen aufgebaut und getestet werden. Dabei stellt ihnen auch das US-amerikanische Unternehmen DreamUp, das sich auf Raumfahrtprojekte spezialisiert hat, technisches Know-How zur Verfügung. Auf der ISS betreut Alexander Gerst die Experimente anhand der Ablaufpläne, welche die Mannschaften für ihn ausarbeiten.
Kerstin Sonnabend / DLR