05.02.2024

Exzellente Grundlagenforschung

Weinheimer Hector Stiftung verleiht Wissenschaftspreis an Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller.

Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller erhalten in diesem Jahr den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Damit würdigt die Jury die herausragenden Forschungsleistungen der 61-jährigen Neurobiologin, die in Heidelberg geboren wurde, sowie des 59-jährigen Informatikers und Physikers, der aus Karlsruhe stammt.


Magdalena Götz (Zweite von rechts) und Klaus-Robert Müller (Zweiter von...
Abb.: Magdalena Götz (Zweite von rechts) und Klaus-Robert Müller (Zweiter von links) erhalten in diesem Jahr den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Das Bild zeigt sie gemeinsam mit den Stiftern Josephine und Hans-Werner Hector.
Quelle: M. Schilling

Götz lehrt als Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und ist als Direktorin am Institut für Stammzellenforschung am Helmholtz Zentrum München tätig. Müller ist Professor für maschinelles Lernen an der Technischen Universität Berlin und Co-Direktor am Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD), einem der sechs vom Bundesforschungsministerium geförderten Kompetenzzentren für Künstliche Intelligenz.

Zur Preisverleihung trafen sich der Vorstand der Stiftung sowie frühere Preisträger im Hotel „Europäischer Hof“ in Heidelberg. Stifter Hans-Werner Hector hieß die beiden neuen Preisträger im Kreis der nunmehr dreißig „Hector Fellows“ willkommen, die sich dort gemeinsam für interdisziplinäre Spitzenforschung in Deutschland engagieren. Dabei waren sich die beiden Laudatoren, Christian Haass (LMU) und Bernhard Schölkopf (Max-Planck-Institut für intelligente Systeme, Tübingen) einig, dass Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller mit der Exzellenz ihrer Grundlagenforschung, aber auch mit ihrer ansteckenden Begeisterung für das Beschreiten neuer Wege die „Hector Fellow Academy“ bereichern werden, die aussichtsreiche Nachwuchswissenschaftler fördert.

Magdalena Götz ging schon früh der Frage nach, wie das Gehirn gebildet wird, wie Nervenzellen entstehen und wie sie korrekt verknüpft werden. Dabei fand sie heraus, dass die Stammzellen des Gehirns eigentlich Gliazellen sind. Gliazellen wurden bis dato nur als Stützzellen angesehen. Dass diese sogar Nervenzellen bilden, war vorher völlig unvorstellbar. Dies inspirierte die Wissenschaftlerin zu dem bahnbrechenden Ansatz, Gliazellen im ausgewachsenen Gehirn zur Bildung von Nervenzellen anzuregen. Denn normalerweise endet die Bildung von Nervenzellen nach der Geburt. Das ist das Problem nach Gehirnverletzungen oder bei neurodegenerativen Erkrankungen. Denn abgestorbene Nervenzellen werden nicht ersetzt.

Magdalena Götz gelang es – in der Zellkulturschale und in vorklinischen Modellen – aus diesen Gliazellen durch Einbringen von regulatorischen Faktoren, die nur während der Entwicklung des Gehirns vorhanden sind, wieder Neurone zu bilden. Sie hat sozusagen die Faktoren wieder aktiviert, die während der Entwicklung für die Bildung von Nervenzellen zuständig sind. Sie verfolgte diesen Ansatz nun mit menschlichen Gliazellen weiter und untersuchte auch die Reaktion von Gliazellen in menschlichen Gehirnen im Kontext verschiedener Erkrankungen. Dabei konnte sie aufzeigen, wie wichtig auch der Stoffwechsel der Zellen in diesem Zusammenhang ist, und wie es gelingen kann, auch Gliazellen mit Defekten zum Beispiel in der Energiebildung in Nervenzellen umzuwandeln. Der nächste Schritt, auf den sich das Team von Magdalena Götz konzentriert, ist nun, verschiedene Nervenzellen korrekt zu bilden, was eines Tages zu völlig neuen therapeutischen Ansätzen führen könnte.

Klaus-Robert Müller zählt zu den weltweit anerkanntesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenzforschung. Große Beachtung hat unter anderem seine grundlegende Forschung an der Schnittstelle von maschinellem Lernen und Quantenmechanik erzeugt. Einige der größten wissenschaftlichen Herausforderungen der Welt sind mit dem Verständnis von Systemen mit vielen wechselwirkenden Atomen über die Zeit verbunden. Dazu gehören unter anderem die Bildung von DNA im Genom, die Wirkung von Pharmazeutika im Organismus oder auch die Zersetzung schädlicher Moleküle in der Atmosphäre. All diese Interaktionen werden von den Gesetzen der Quantenmechanik gelenkt. Das Verständnis der räumlichen und zeitlichen Korrelationen solcher Systeme ist ein uralter Traum der Wissenschaft. Da eine Modellierung dieser komplizierten Korrelationen alle Rechenkapazitäten übersteigt, entzogen sich große Quantensysteme jedoch lange der mathematischen Simulation. Doch dann entwickelte ein internationales Team um Klaus-Robert Müller einen maschinellen Lernalgorithmus, der genau dieses Problem löst – und dies mit einem dreißigmillionenfachen Geschwindigkeitsgewinn. Damit eröffneten sie der Quantenchemie ganz neue Horizonte.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner vielseitigen Arbeit liegt auf der Erforschung der erklärbaren KI. KI-Modelle haben in den vergangenen Jahren zahlreiche anspruchsvolle Anwendungsprobleme gelöst. Im Allgemeinen bleibt die KI aber eine „Black Box“ – auch für die beteiligten Wissenschaftler. Sie können nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Befunde die KI so entscheidet, wie sie entscheidet. Während das für die Frage, ob auf einem Bild ein Hund oder eine Katze zu sehen ist, nicht dramatisch erscheint, sieht das für den Einsatz von KI in der Medizin oder dem autonomen Fahren natürlich völlig anders aus. In grundlegenden Arbeiten haben Klaus-Robert Müller und sein Team Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, die Entscheidungen einer KI zurückzuverfolgen und damit erklärbar zu machen. Einige dieser KI-Verfahren fanden einen nahezu unmittelbaren Einsatz in der medizinischen Bilddiagnostik.

HFA / DE


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