Faserbündel im Zellskelett
Münchner Physiker konnte erstmals die mechanischen Eigenschaften von Faserbündeln im Skelett einer biologischen Zelle näher bestimmen.
Münchner Physiker konnte erstmals die mechanischen Eigenschaften von Faserbündeln im Skelett einer biologischen Zelle näher bestimmen.
Gebäude oder Bauwerke würden ohne Stützbalken an den richtigen Positionen sehr schnell ihre Stabilität und Statik einbüßen. Biologische Zellen verwenden ein im Grunde vergleichbares Konstruktprinzip. Für die mechanische Stabilität der Zellform sorgt das Zytoskelett, ein aus verschiedenen Proteinen zusammengesetztes, außerordentlich flexibles, fadenförmiges Strukturgeflecht. Im Gegensatz zu architektonischen Konstruktionen verhalten sich diese so genannten Filamente dynamisch, d. h. sie passen ihre mechanischen Eigenschaften der Umgebung an und treten nach Bedarf in Bündeln auf. Ein Forscherteam um Andreas Bausch von der TU München und Erwin Frey von der LMU München konnte am Beispiel des Zellskelettproteins Aktin erstmals die mechanischen Eigenschaften dieser Bündel näher bestimmen. Über ihre Forschungsergebnisse berichten sie im Fachmagazin Nature Materials.
Aktin ist eines der am häufigsten auftretenden Proteine in der Zelle. Es bestimmt nicht nur die mechanischen Eigenschaften des Zytoskeletts, sondern ist auch maßgeblich bei der Zellteilung und Zellmigration beteiligt. Die parallele Anlagerung einzelner Filamente in Aktinbündel findet sich vor allem in Nerven- oder Hörzellen. Die Wissenschaftler untersuchten nun unter verschiedensten Bedingungen den Grad der Festigkeit und Steifheit von Aktinbündel. Mit einem neuartigen mikroskopischen Messverfahren ermittelten sie deren thermische Bewegung von wenigen Nanometern und wiesen nach, dass die Stabilität der einzelnen Bündel von ihrer Länge wie auch von den vorhandenen Vernetzermolekülen abhängt - einer Art Klebstoff, der die einzelnen zellulären Balkenstrukturen zusammenhält. In den Gehörzellen beispielsweise sind die Aktinfilamente mit dem weichsten Protein vernetzt, während bei der Zellmigration Proteine verwendet werden, die sich wesentlich besser eignen, mechanisch steife Bündel zu erzeugen. Die mechanischen Eigenschaften der Bündel lassen sich dabei analog eines Papierstapels erläutern: liegen die einzelnen Seiten lose aufeinander, können sie aneinander vorbei gleiten. Der Papierstapel bleibt auch bei einer hohen Seitenanzahl beweglich und ist leicht zu verbiegen. Gerät zwischen die einzelnen Seiten ein Klebstoff, dann ist der Papierstapel um ein vielfaches steifer und nur sehr schwer biegbar.
Waren bislang nur strukturelle Informationen über Zytoskelettstrukturen verfügbar, erlauben diese Messungen und theoretischen Analysen erstmals deren mechanische Eigenschaften in Abhängigkeit von den vorhandenen Proteinen zu bestimmen. Die Vernetzermoleküle (und damit die Festigkeit des Klebstoffs zwischen den einzelnen Strukturen) verhalten sich auf diesen Längenskalen demnach entschieden flexibler als bislang angenommen. Dies wirkt sich auf das Zytoskelett aus, das somit wesentlich anpassungsfähiger an seine Umgebung ist. Viele zelluläre Prozesse können nun besser nachvollzogen werden.
Auch im Bereich der Nanotechnologie lassen sich diese neuen Erkenntnisse verwerten wie beispielsweise bei der Herstellung neuer funktionaler Nanomaterialien. Nanoröhren könnten entsprechend den Anforderungen an die gewünschten Flexibilität gebündelt und damit die mechanischen Eigenschaften neuartiger Verbundstoffe oder mechanische bzw. biologische Sensorbauelemente genauestens designt werden.
Quelle: Technische Universität München
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
M.M.A.E. Claessens, M. Bathe, E. Frey und A.R. Bausch, Actin-binding proteins sensitively mediate actin bundle stiffness, Nature Materials, (2006), http://dx.doi.org/10.1038/nmat1718 - TU München, Prof. Dr. Andreas Bausch, Lehrstuhl für Biophysik E22:
http://www.e22.physik.tu-muenchen.de/bausch/ - LMU München, Prof. Dr. Erwin Frey, Arnold Sommerfeld Center & Center of NanoScience:
http://www.asc.physik.lmu.de/lsfrey/