11.02.2016

Fußbälle ohne Widerstand

Lichtinduzierter verlustfreier Strom­trans­port in Alkali-Fulle­riden hilft bei der Suche nach supra­leitenden Mate­rialien.

Supraleiter bleiben einstweilen in Nischenanwendungen verbannt. Da selbst die besten dieser Materialien erst bei minus siebzig Grad Celsius ihren elektrischen Widerstand verlieren, werden sie hauptsächlich in Magneten für Kernspintomographen oder Fusionsanlagen sowie in Teil­chen­be­schleu­nigern eingesetzt. Forscher des MPI für Struktur und Dynamik der Materie haben nun Hinweise darauf gefunden, dass Fullerene zumindest kurzzeitig bei hohen Temperaturen widerstandslos Strom leiten könnten, wenn die molekularen Substanzen mit infrarotem Laserlicht angeregt werden.

Abb.: Intensive Laserblitze nehmen einer Kristall­lage des Alkali-Fulle­rids K3C60, das fuß­ball­ähn­liche Mole­küle aus sechzig Kohlen­stoff­atomen ent­hält, mög­licher­weise schon bei Tem­pe­ra­tu­ren von minus 170 Grad Celsius den elek­tri­schen Wider­stand. (Bild: J.M. Harms, MPSD)

Bereits 2013 war es Forschern des Instituts gelungen, ein Kuprat, eine Kupferoxid enthaltenden Keramik, mit infraroten Laserpulsen für Bruchteile einer Sekunde sogar bei Raumtemperatur supraleitend zu machen. Ein Jahr später legte das Team eine mögliche Erklärung des Effekts vor. Die Wissen­schaftler beobachteten, dass sich die Positionen von Atomen im Kristallgitter nach der Anregung mit dem Lichtblitz verschieben. Diese Verschiebung bleibt ebenso bestehen wie der supraleitende Zustand des Materials. Die licht­indu­zierte Änderung der Struktur macht, grob gesprochen, den Weg für Elektronen frei, sodass sie sich verlustfrei durch die Keramik bewegen. Allerdings hängt die Erklärung stark von der sehr spezifischen Kristallstruktur der Kuprate ab. Aus damaliger Sicht konnte es sich somit um ein Phänomen handeln, das nur bei den unkonventionellen Hochtemperatur-Supraleitern auftritt.

Das Team um Andrea Cavalleri fragte sich daher, ob Licht auch den elek­trischen Widerstand von herkömmlichen Supraleitern brechen kann, deren Physik wesentlich besser verstanden ist. Tatsächlich wurden die Forscher jetzt fündig, und zwar bei einem Stoff, der sich von Kupraten stark unter­scheidet. Das Fullerid K3C60 ist ein Metall, das sich aus Buckminster-Fullerenen zusammensetzt. Diese Hohlmoleküle bestehen aus sechzig Kohlenstoff-Atomen, die sich zur Form eines Fußballs verbinden. Negativ geladene Fullerene kleben durch zwischengelagerte positive Kalium-Ionen, die wie Kitt wirken, zu einem Festkörper zusammen. Dieses Alkali-Fullerid hat die Eigenschaften eines supraleitenden Metalls mit einer Sprungtemperatur von rund minus 250 Grad Celsius.

Die Forscher sendeten nun bei verschiedenen Temperaturen zwischen der Sprungtemperatur und Raumtemperatur infrarote Lichtpulse von nur wenigen milliardstel Mikrosekunden Dauer auf das Alkali-Fullerid. Sie stellten die Frequenz der Lichtwelle so ein, dass sie die Fullerene zu Vibrationen an­reg­ten. Dabei schwingen die Kohlenstoffatome so, dass sich die Fünfecke des Fußballs ausdehnen und zusammenziehen. Diese Änderung der Struktur, so die Hoffnung, könnte ähnlich wie beim Kuprat auch bei hohen Temperaturen eine kurzzeitige Supraleitung erzeugen.

Um dies zu testen, sendeten die Forscher gleichzeitig zum Infrarot-Puls einen zweiten Lichtpuls auf die Probe, allerdings mit einer Frequenz im Terahertz-Bereich. Wie stark dieser Puls reflektiert wird, verrät den Forschern die Leit­fähig­keit des Materials. Dabei zeigte sich eine sehr hohe Leitfähigkeit. „Wir haben Supraleitung möglicherweise bis hinauf zu Temperaturen von mindestens minus 170 Grad Celsius induziert“, sagt Team-Mitglied Daniele Nicoletti. Somit würde das Experiment eine der höchsten je beobachteten Sprungtemperaturen außerhalb der Materialklasse der Kuprate zeigen. „Wir planen nun weitere Experimente, die uns zu einem tieferen Verständnis der Vorgänge führen sollen“, so Nicoletti. Als Nächstes wollen sie während der Anregung durch das Infrarotlicht die Kristallstruktur analysieren. Dies soll ähnlich wie zuvor beim Kuprat zu einer Erklärung des Phänomens beitragen. Dann wollen die Forscher wesentlich länger andauernde Lichtblitze auf das Material senden. Das ist zwar technisch anspruchsvoll, könnte die Lebens­dauer der Supraleitung aber so weit verlängern, dass es für Anwendungen interessant wird.

MPSD / RK

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