21.09.2018

Gefrierendes Quark-Gluon-Plasma

Neue Details zum Phasenübergang zwischen Quark-Gluon-Plasma und hadronischer Materie.

Etwa zehn Millionstel Sekunden dauerte es, bis die Bausteine der Materie unserer heutigen Alltagswelt entstanden, so die gängige Annahme von Experten: Nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren bewegten sich Quarks und Gluonen, deren Wechsel­wirkung von der Quanten-Chromodynamik, der Theorie der starken Wechsel­wirkung beschrieben wird, in den aller­ersten Augen­blicken des Universums frei in einem Quark-Gluon-Plasma. Dann vereinigten sie sich und bildeten beispiels­weise Protonen und Neutronen, aus denen die Kerne von Atomen bestehen und die zur Teilchen­klasse der Hadronen gehören.

Abb.: Im Large Hadron Collider entstehen pro Kollision mehr als 30.000 Teilchen, die mit den ALICE-Detektoren vermessen werden. (Bild: A. Saba, Cern)

Nun präsentierte ein Team aus Wissen­schaftlern vom GSI Helmholtz­zentrum für Schwerionen­forschung in Darmstadt sowie von den Univer­sitäten Heidelberg, Münster und Breslau eine Analyse der Ergebnisse lang­jähriger Experimente an Teilchen­beschleunigern, die Licht auf die Natur dieses Phasen­übergangs wirft. Unter anderem bestimmten die Forscher mit Präzision die Übergangs­temperatur und erhielten neue Erkennt­nisse zum Mechanismus, wie ein Quark-Gluon-Plasma beim Abkühlen in die normalen Materie­bausteine wie Protonen, Neutronen oder Atomkerne ausfriert.

Die Experimente bei weltweit höchster Energie mit dem Alice-Detektor am Large Hadron Collider LHC am Cern produ­zieren Materie, in der Teilchen und Anti­teilchen mit sehr genau gleicher Häufigkeit vorkommen, identisch mit der Urknall­materie. Das Team bestätigt durch die Analyse der in den Experimenten gewonnenen Daten theoretische Vorher­sagen, nach denen der Phasen­übergang zwischen Quark-Gluon-Plasma und hadro­nischer Materie bei einer Temperatur von 156 Megaelek­tronenvolt geschieht. Das entspricht einer Temperatur, die Einhundert­zwanzigtausend Mal heißer ist als das Innere der Sonne.

Die Physiker analysierten eine Vielzahl an Teilchen und Anti­teilchen genauer. „Unsere Unter­suchungen bringen mehrere über­raschende Erkennt­nisse mit sich. Eine davon ist, dass leichte Atomkerne und ihre Anti­teilchen bei der gleichen Tem­peratur wie Protonen und Anti­protonen erzeugt werden, obwohl ihre Bindungs­energien etwa einhundert Mal kleiner sind als die der Übergangs­temperatur entsprechende Energie“, sagt Anton Andronic von der Westfälischen Wilhelms-Univer­sität Münster, vormals am GSI tätig. Die Wissen­schaftler vermuten, dass solche schwach gebundenen Teilchen den hohen Tempera­turen zunächst als kompakte Multi-Quark Zustände trotzen, die sich erst bei viel niedrigerer Temperatur in die beobach­teten leichten Atomkerne oder Antikerne entwickeln. Die Existenz solcher Multi-Quark Zustände wurde seit langer Zeit vermutet, ohne dass konkrete Hinweise darauf gefunden werden konnten.

Eine andere Beobachtung betrifft ein zwar seit langer Zeit bekanntes, aber bisher nicht verstandenes Phänomen: Normaler­weise sind Quarks im Innern von Protonen und Neutronen einge­schlossen; isolierte Quarks kommen nicht vor. Im Inneren des Feuerballs, der nach einer Kern­kollision im Teilchen­beschleuniger entsteht, ist dieses „Confinement“ aufgehoben. Die neue Studie zeigt: Charmonium-Zustände – die J/psi-Mesonen, bestehend aus einem schweren Charm-Quark und seinem Anti­teilchen –, werden bei LHC-Energie weit häufiger erzeugt als bei niedrigerer Energie, zum Beispiel am Rela­tivistic Heavy Ion Collider am US-ameri­kanischen Brook­haven National Labora­tory. Wegen der höheren Energie­dichte am LHC war das Gegenteil, nämlich eine Reduktion durch Disso­ziation von J/psi-Mesonen, erwartet worden.

Anderer­seits war vor achtzehn Jahren von Peter Braun-Mun­zinger, GSI, und Johanna Stachel, Universität Heidelberg, eine erhöhte Produktion vorher­gesagt worden aufgrund des „Deconfinements“ der Charm-Quarks. Dieser Vorschlag wurde in einer Serie von Veröffent­lichungen vom gesamten Team detail­liert ausge­arbeitet. Die nun beobachtete verstärkte Produktion der J/psi-Teilchen bestätigt die Vorher­sage: J/psi-Mesonen werden nur dann in der beo­bachteten großen Anzahl produziert, wenn ihre Bestandteile, die Charm- und Anticharm-Quarks, sich in diesem Zustand bis zu einem billiardstel Zentimeter weit frei bewegen können – das entspricht ungefähr zehn Mal der Größe eines Protons. „Diese Beobach­tungen sind ein erster Schritt, um das Phänomen des ‚Confinements‘ im Detail zu verstehen“, sagt Krzysztof Redlich von der Universität Breslau.

GSI / JOL

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