Gefrierendes Quark-Gluon-Plasma
Neue Details zum Phasenübergang zwischen Quark-Gluon-Plasma und hadronischer Materie.
Etwa zehn Millionstel Sekunden dauerte es, bis die Bausteine der Materie unserer heutigen Alltagswelt entstanden, so die gängige Annahme von Experten: Nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren bewegten sich Quarks und Gluonen, deren Wechselwirkung von der Quanten-Chromodynamik, der Theorie der starken Wechselwirkung beschrieben wird, in den allerersten Augenblicken des Universums frei in einem Quark-Gluon-Plasma. Dann vereinigten sie sich und bildeten beispielsweise Protonen und Neutronen, aus denen die Kerne von Atomen bestehen und die zur Teilchenklasse der Hadronen gehören.
Abb.: Im Large Hadron Collider entstehen pro Kollision mehr als 30.000 Teilchen, die mit den ALICE-Detektoren vermessen werden. (Bild: A. Saba, Cern)
Nun präsentierte ein Team aus Wissenschaftlern vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt sowie von den Universitäten Heidelberg, Münster und Breslau eine Analyse der Ergebnisse langjähriger Experimente an Teilchenbeschleunigern, die Licht auf die Natur dieses Phasenübergangs wirft. Unter anderem bestimmten die Forscher mit Präzision die Übergangstemperatur und erhielten neue Erkenntnisse zum Mechanismus, wie ein Quark-Gluon-Plasma beim Abkühlen in die normalen Materiebausteine wie Protonen, Neutronen oder Atomkerne ausfriert.
Die Experimente bei weltweit höchster Energie mit dem Alice-Detektor am Large Hadron Collider LHC am Cern produzieren Materie, in der Teilchen und Antiteilchen mit sehr genau gleicher Häufigkeit vorkommen, identisch mit der Urknallmaterie. Das Team bestätigt durch die Analyse der in den Experimenten gewonnenen Daten theoretische Vorhersagen, nach denen der Phasenübergang zwischen Quark-Gluon-Plasma und hadronischer Materie bei einer Temperatur von 156 Megaelektronenvolt geschieht. Das entspricht einer Temperatur, die Einhundertzwanzigtausend Mal heißer ist als das Innere der Sonne.
Die Physiker analysierten eine Vielzahl an Teilchen und Antiteilchen genauer. „Unsere Untersuchungen bringen mehrere überraschende Erkenntnisse mit sich. Eine davon ist, dass leichte Atomkerne und ihre Antiteilchen bei der gleichen Temperatur wie Protonen und Antiprotonen erzeugt werden, obwohl ihre Bindungsenergien etwa einhundert Mal kleiner sind als die der Übergangstemperatur entsprechende Energie“, sagt Anton Andronic von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, vormals am GSI tätig. Die Wissenschaftler vermuten, dass solche schwach gebundenen Teilchen den hohen Temperaturen zunächst als kompakte Multi-Quark Zustände trotzen, die sich erst bei viel niedrigerer Temperatur in die beobachteten leichten Atomkerne oder Antikerne entwickeln. Die Existenz solcher Multi-Quark Zustände wurde seit langer Zeit vermutet, ohne dass konkrete Hinweise darauf gefunden werden konnten.
Eine andere Beobachtung betrifft ein zwar seit langer Zeit bekanntes, aber bisher nicht verstandenes Phänomen: Normalerweise sind Quarks im Innern von Protonen und Neutronen eingeschlossen; isolierte Quarks kommen nicht vor. Im Inneren des Feuerballs, der nach einer Kernkollision im Teilchenbeschleuniger entsteht, ist dieses „Confinement“ aufgehoben. Die neue Studie zeigt: Charmonium-Zustände – die J/psi-Mesonen, bestehend aus einem schweren Charm-Quark und seinem Antiteilchen –, werden bei LHC-Energie weit häufiger erzeugt als bei niedrigerer Energie, zum Beispiel am Relativistic Heavy Ion Collider am US-amerikanischen Brookhaven National Laboratory. Wegen der höheren Energiedichte am LHC war das Gegenteil, nämlich eine Reduktion durch Dissoziation von J/psi-Mesonen, erwartet worden.
Andererseits war vor achtzehn Jahren von Peter Braun-Munzinger, GSI, und Johanna Stachel, Universität Heidelberg, eine erhöhte Produktion vorhergesagt worden aufgrund des „Deconfinements“ der Charm-Quarks. Dieser Vorschlag wurde in einer Serie von Veröffentlichungen vom gesamten Team detailliert ausgearbeitet. Die nun beobachtete verstärkte Produktion der J/psi-Teilchen bestätigt die Vorhersage: J/psi-Mesonen werden nur dann in der beobachteten großen Anzahl produziert, wenn ihre Bestandteile, die Charm- und Anticharm-Quarks, sich in diesem Zustand bis zu einem billiardstel Zentimeter weit frei bewegen können – das entspricht ungefähr zehn Mal der Größe eines Protons. „Diese Beobachtungen sind ein erster Schritt, um das Phänomen des ‚Confinements‘ im Detail zu verstehen“, sagt Krzysztof Redlich von der Universität Breslau.
GSI / JOL