Gemeinsam die Entstehung der Elemente ergründen
EU-Netzwerk für Forschungsinfrastrukturen in der nuklearen Astrophysik gegründet.
Wie sind die Elemente des Periodensystems entstanden? Um diese Frage zu beantworten, erforschen Wissenschaftler die Vorgänge im Inneren von Sternen. Dafür nutzen sie eine Vielzahl an Spezialgeräten und -einrichtungen – von Teleskopen, mit denen sie Sternspektren aufzeichnen, über Labore, in denen sie die Produktion von Elementen untersuchen, bis hin zu Supercomputern, die sie zur Modellierung astrophysikalischer Prozesse benötigen. Um den Zugang zu diesen spezialisierten Forschungsanlagen zu erleichtern, wurde jetzt das Forschungsinfrastruktur-Netzwerk ChETEC-INFRA gegründet.
ChETEC-INFRA steht für „Chemical Elements as Tracers of the Evolution of the Cosmos – Research Infrastructures for Nuclear Astrophysics“. Das vom HZDR koordinierte Netzwerk will europäischen Wissenschaftlern helfen, die Entwicklung des Kosmos anhand der Entstehung der chemischen Elemente nachzuvollziehen und verbindet dafür 32 Forschungseinrichtungen aus 17 Nationen mit 13 kleineren und mittleren für das Feld wichtigen Forschungsanlagen. Die EU unterstützt das Netzwerk von 2021 bis 2025 mit fünf Millionen Euro. Neben Investitionen in eine engere Zusammenarbeit will das Netzwerk diese Fördersumme für die Ausbildung der nächsten Generation von Forschern einsetzen.
Zu den beteiligten Forschungsanlagen gehört auch das Dresdner Felsenkellerlabor, das gemeinsam von der TU Dresden und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf betrieben wird. „Mit dem Untertage-Beschleuniger im Felsenkellerlabor lassen sich fundamentale Prozesse, die im Inneren von Sternen ablaufen, simulieren. Über ChETEC-INFRA öffnen wir diese Experimentiereinrichtung für interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,“ erläutert Kai Zuber, der wissenschaftliche Leiter des Labors.
Koordinator des EU-Netzwerks ist Daniel Bemmerer vom Institut für Strahlenphysik des HZDR und zugleich technischer Leiter des Felsenkellerlabors. „Ich bin begeistert, mit einer so vielfältigen und hochkarätigen Gruppe von Einrichtungen aus der nuklearen Astrophysik zusammenzuarbeiten“, sagt Bemmerer. „In den nächsten vier Jahren wird unser Netzwerk Forscherinnen und Forschern in ganz Europa die notwendigen Werkzeuge bieten, um das Wasserstoffbrennen in der Sonne und die verschiedenen Prozesse der Elemententstehung besser zu begreifen.“
ChETEC-INFRA will außerdem Jugendliche für das spannende Forschungsgebiet der nuklearen Astrophysik interessieren. „Wir werden Masterclasses entwickeln und durchführen“, erläutert Uta Bilow vom Institut für Kern- und Teilchenphysik der TU Dresden. „Bei diesen eintägigen Veranstaltungen erhalten Schülerinnen und Schüler eine Einführung in das Thema und können selbst Daten analysieren und damit Einblick in die Nukleosynthese gewinnen.“
Zusätzlich strebt das Netzwerk ein einheitliches Online-Portal an, das die drei Fachbereiche Astronomie, kernphysikalische Laborforschung und computergestützte Astrophysik miteinander verbindet. Auf diese Weise sollen interdisziplinäre Ansätze gefördert und auch kleinere EU-Länder angesprochen werden, in denen die nukleare Astrophysik noch nicht etabliert ist.
Die vernetzten Infrastrukturen reichen vom Nordic Optical Telescope auf den Kanarischen Inseln bis hin zu mittelgroßen Teleskopen in der Tschechischen Republik, in Litauen und in Bulgarien. Darüber hinaus beteiligen sich Beschleunigerlabore, die eine Untersuchung der Elemententstehung mittels geladener Teilchen, Neutronen oder photoneninduzierter Reaktionen ermöglichen. Außerdem ermöglicht ein leistungsfähiges Rechencluster die Untersuchung der in einem massiven Stern stattfindenden Nukleosynthese.
Um Neueinsteigern die Nutzung dieser Anlagen zu ermöglichen, gewährt ChETEC-INFRA auch wissenschaftliche Unterstützung. Für die Analyse von Sternspektren stellt das Netzwerk astrophysikalische Daten und Software bereit, beispielsweise zur Rotationsgeschwindigkeit von Sternen. In den Laboren werden neue Detektoren und Targets – Materieproben, die einem Teilchenstrahl ausgesetzt sind – entwickelt, die auf die speziellen Bedürfnisse der nuklearen Astrophysik zugeschnitten sind. Neue Software-Tools sollen zudem die Entwicklung und die Analyse von Nukleosynthese-Simulationen erleichtern.
TU Dresden / RK
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