26.02.2019

Gewässernetze aus der Frühzeit des Mars

Der Planet soll früher ein vermutlich wärmeres und feuchteres Klima gehabt haben.

Die neuesten Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR betriebenen hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Mission Mars Express zeigen ein System ausgetrockneter, stark verästelter Flusstäler östlich des über 450 Kilometer großen Einschlagskraters Huygens. Solche Talnetzwerke entstanden vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren und kommen deshalb typischerweise in den ältesten, stark verkraterten Regionen des Mars vor, die sich im südlichen Hochland befinden. Die Existenz solcher Talnetzwerke belegt, dass der Planet früher zumindest zeitweise ein anderes, vermutlich wärmeres und feuchteres Klima und vor mehr als vier bis vor etwa 3,7 Milliarden Jahren vermutlich sogar einen Wasserkreislauf gehabt haben muss.

Abb.: Perspektivische Ansicht des Talnetzwerks östlich des Huygens-Kraters....
Abb.: Perspektivische Ansicht des Talnetzwerks östlich des Huygens-Kraters. (Bild: DLR / ESA / FU Berlin)

Die systematische Verarbeitung der Kameradaten zu digitalen Geländemodellen erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte. Auf den Bildern sieht man, dass die Landschaft von einem Netzwerk aus gewundenen Tälern überzogen ist, die allesamt einem dendritischen, also verästelten oder verzweigten Muster folgen. In der Hydrologie beschreibt der Begriff „dendritisch“ ein Tal, in das talaufwärts immer kleinere Nebentäler münden, die wiederum von noch kleineren Zuflüssen gespeist werden. Dadurch ergibt sich ein Muster, das der Struktur eines Baumes ähnelt, mit Stamm, Ästen und kleinen Zweigen. Auf der Erde ist dieses Erosionsmuster bei den meisten Flüssen anzutreffen und ist das Ergebnis des Wasserkreislaufs mit Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und erneutem Niederschlag. Im Gegensatz dazu stehen kaum verzweigte, ebenfalls längst ausgetrocknete Flusstäler auf dem Mars, die eher eine geradlinig verlaufende Talstruktur ohne viele Nebenflüsse aufweisen, und die eine andere Entstehungsgeschichte haben, weil sie durch austretendes Grundwasser gebildet wurden.

Um solche verästelten Täler zu formen, war auch auf dem Mars fließendes Wasser nötig. Der jeweilige Ursprung des Wassers – ob Niederschlag, Grundwasser oder Schmelzwasser aus dem Eis von Gletschern – kann oft an der Art der Talstruktur abgelesen werden: Talnetzwerke, die einen dendritischen Grundriss aufweisen, wurden auch auf dem Mars höchstwahrscheinlich durch Oberflächenabfluss von Niederschlag oder Schmelzwasser gebildet. Die Ursprünge der Täler befinden sich typischerweise an einem topographischen Höhenzug, beispielsweise an einer Wasserscheide, und der Verlauf der Abflussrinnen folgt dem lokalen Gefälle. 

Wie man aus einem Höhenmodell ableiten kann, sind die Wassermassen von Norden nach Süden geflossen. Die größten Täler in den gezeigten Bildern sind bis zu zwei Kilometer breit und erreichen eine Tiefe von bis zu 200 Metern. Insbesondere diejenigen, die in Ost-West Richtung verlaufen, zeigen stark verwitterte und von der Erosionskraft des talwärts fließenden Wassers ausgeschürfte Talränder. Dendritische Talsysteme finden sich auch an anderen Stellen auf dem Kraterrand und wurden von der HRSC auf Mars Express erstmals am 20. Juni 2004 während Orbit 532 erfasst .

Heute geht man davon aus, dass auf dem Mars vor etwa 3,7 bis 3,8 Milliarden Jahren ein Klimawandel stattgefunden hat, bei dem sich die Umweltbedingungen von einem eher neutralen, lebensfreundlichen, sporadisch feuchten Milieu zu einem deutlich saureren, lebensfeindlichen, trockenen und kalten Milieu hin verändert haben. Die Hauptursache dafür liegt nach heutigem Kenntnisstand in dem graduellen Verlust der Marsatmosphäre und einer veränderten vulkanischen Aktivität des Planeten. „Dieser Klimawandel hat unseren Nachbarplaneten sozusagen von einem hinsichtlich der möglichen Entstehung und Entwicklung von Leben hoffnungsvollen Planeten mit zeitweilig existierenden Flüssen und Seen zu einem Planeten umgeformt, der nur noch trocken, kalt und salzig war“, so Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung, Leiter des Kameraexperiments HRSC.

Einer der Gründe, warum der Mars seine Atmosphäre verloren hat, liegt an seinem heute fehlenden, aber während der ersten fünfhundert Millionen Jahre noch existierenden Magnetfeld. Weil das Magnetfeld immer schwächer wurde, konnte der Sonnenwind sukzessive die Atmosphärenmoleküle spalten, und die beschleunigten Ionen gingen ans Weltall verloren: Dadurch und wegen des nachlassenden Vulkanismus wurde die Atmosphäre immer dünner. Außerdem ist Mars nur halb so groß wie die Erde, weshalb seine Anziehungskraft kaum ausreicht, um Atmosphärenmoleküle durch die eigene Schwerkraft an sich zu binden. Ab einem bestimmten Atmosphärendruck kann Wasser physikalisch auf einem Planeten nicht mehr flüssig sein, sondern nur noch eis- oder gasförmig. Durch das Ausbleiben der Niederschläge brach der Wasserkreislauf auf dem Mars schließlich zusammen.

Durch die dünne Atmosphäre heute kann Wasser auf der Oberfläche des Mars nicht stabil sein. Selbst wenn die Temperaturen dafür noch ausreichen würden – es würde sofort verdampfen. Aber im Untergrund scheint Wasser noch in großen Mengen vorhanden zu sein, und zwar in Form von Wassereis. Auch die beiden Polkappen des Mars bestehen aus einer Mischung aus Wasser- und Kohlendioxideis. Unter ganz extremen Bedingungen, zum Beispiel in sehr salzhaltigen Lösungen, könnte Wasser theoretisch auch heute noch als Flüssigkeit auf dem Mars kurzzeitig existieren.

DLR / JOL

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