14.02.2008

Gieriger Zwerg

Zwei Astronomen aus Deutschland und Holland spüren durch Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten Chandra den Vorläufer einer Supernova auf.



Zwei Astronomen aus Deutschland und Holland spüren durch Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten Chandra den Vorläufer einer Supernova auf.

Eine Supernova ist kein neuer Stern, wie der Name suggeriert. Vielmehr verbirgt sich hinter einer solchen Explosion eine Sonne, die schon länger existierte. Bei den Supernovae vom Typ Ia sind sogar zwei Sterne im Spiel: Ein Weißer Zwerg, der von einem Roten Riesen so lange gierig Materie abzieht, bis er eine kritische Masse erreicht, schließlich „hochgeht“ und dabei so hell strahlt wie Millionen oder gar Milliarden Sonnen. Rasmus Voss, der am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und am Exzellenzcluster „Universe“ forscht, und Gijs Nelemans von der Radboud Universität im holländischen Nijmegen haben dieses Szenario jetzt durch Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten Chandra bestätigt. Dabei schlossen die Wissenschaftler eine Alternativerklärung aus, wonach die Kollision von zwei Weißen Zwergen zu einer Supernova führen könnte.

Supernovae sind für Kosmologen und Astrophysiker faszinierende Studienobjekte – und das in mehrfacher Hinsicht: Explosionen vom Typ Ia stellen eine Art Eichsystem dar, mit dem Wissenschaftler Entfernungen und die beschleunigte Ausbreitung des Weltalls messen. Außerdem liefern diese Sternexplosionen einen Großteil des Elements Eisen im Kosmos, ein wichtiger Bestandteil unserer Erde und anderer Planeten.

Die Astronomen glauben, dass für die Explosion ein Weißer Zwerg verantwortlich ist, der zusammen mit einem zweiten Stern ein Partnersystem bildet. Die genaue Sternkonstellation und der Auslöser der Supernova sind jedoch unklar: Ist sie die Folge einer Kollision von zwei Weißen Zwergen? Oder tritt Materie eines größeren Begleitsterns so lange auf den Weißen Zwerg über, bis dieser explodiert?

Diese Fragen ließen sich bisher nicht beantworten – aus einem einfachen Grund: Trotz intensiver Suche konnte noch niemand ein solches binäres Vorgängersystem kurz vor der kosmischen Katastrophe beobachten. Jetzt ist es Rasmus Voss und Gijs Nelemans zum ersten Mal gelungen, sich an die frische „Fährte“ einer Supernova zu heften und neue Erkenntnisse über den Auslösemechanismus zu gewinnen.

Abb.: Dem Supernova-Vorläufer auf der Spur: Die Aufnahme des Swift-Observatoriums (unten) zeigt die Supernova 2007on, auf dem Archivbild des Weltraumteleskops Hubble (Mitte) ist derselbe Ausschnitt vor der Explosion zu sehen. Das Bild ganz oben wurde vier Jahre vor der Supernova vom Röntgenstrahlen-Observatorium Chandra aufgenommen. Es zeigt eine starke Röntgenstrahlung an fast genau derselben Stelle wie die spätere Supernova. (Bild: NASA / ESA)

Für ihre Spurensuche werteten die beiden Wissenschaftler archivierte Bilddaten des US-amerikanischen Röntgenstrahlen-Observatoriums Chandra aus. Auf vier Jahre alten Aufnahmen wurden sie schließlich fündig: In unmittelbarer Nähe der kürzlich entdeckten Supernova SN 2007on stießen sie auf eine starke Röntgenquelle. Diese Daten sprechen gegen eine Kollision und stützen das Modell eines Materieübertritts: Die beiden Sterne umkreisen sich in einem engen Abstand, sodass der kompakte Weiße Zwerg seinem größeren Partnerstern Materie entziehen kann. Der Zwerg sammelt immer mehr Masse, bis er die kritische Größe von etwa 1,4 Sonnenmassen erreicht, instabil und schließlich zerfetzt wird.

Die von Voss und Nelemans gefundene Röntgenstrahlung vor der Explosion passt genau zu diesem Szenario: Da sich der Weiße Zwerg auf seiner Oberfläche durch die Ansammlung von Materie seines Nachbarsterns aufheizt, wird zunächst eine starke Röntgenstrahlung freigesetzt. In der späteren Supernova wird der Weiße Zwerg komplett zerrissen - und damit verschwindet auch die Röntgenquelle. Bei einer Kollision und Verschmelzung der binären Sterne wäre vor der Explosion eine deutlich geringere Emission von Röntgenstrahlen zu erwarten.

Allerdings gibt es noch Ungereimtheiten: Zusammen mit Kollegen haben Voss und Nelemans inzwischen hochwertige optische Beobachtungsdaten analysiert. Diese Daten weisen darauf hin, dass die Positionen der Röntgenstrahlung und der späteren Supernova zwar nur leicht, aber doch signifikant voneinander abweichen. Stammt die beobachtete Röntgenstrahlung also gar nicht vom Vorläufer der Supernova? Andererseits existieren Aufzeichnungen, die belegen, dass die Supernova SN 2007on frei von Röntgenstrahlung ist – ein wichtiges Indiz für die Explosion eines Weißen Zwergs in einem binären Sternsystem.

Die Wissenschaftler werden die Spur der Supernova also weiter verfolgen, um herauszufinden, ob die Röntgenquelle wirklich der Vorläufer der Supernova ist. Beide Forscher sind davon überzeugt, dass sich der Aufwand in jedem Fall lohnt. Derzeit arbeiten viele Astrophysiker daran, den Explosionsmechanismus von Supernovae zu identifizieren. Und dank leistungsfähiger Computertechnologien entwickeln sie zunehmend realistische Modelle.

„Wir freuen uns, dass wir dazu beitragen können, Supernovae genauer zu verstehen – auch wenn noch nicht sicher ist, ob wir tatsächlich das Vorstadium einer Supernova entdeckt haben“, sagt Gijs Nelemans. Und Rasmus Voss ergänzt: „Im Moment machen alle Astronomen Jagd auf einen Supernova-Vorläufer, und das mit gutem Grund: Schließlich sind diese Objekte ausgezeichnete Hilfsmittel, um die Dunkle Energie zu untersuchen, die das Universum auseinandertreibt.“

Hintergrund: Exzellenzcluster „Universe“
Der Exzellenzcluster „Universe“ wurde im Oktober 2006 ins Leben gerufen mit dem Ziel, den ungelösten Fragen des Alls auf die Spur zu kommen: In dieser bis dato einmaligen Forschungseinrichtung arbeiten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen daran, das große Geheimnis „Universum“ zu entschlüsseln. Der Cluster hat seinen Standort am TUM-Forschungszentrum in Garching. Das interdisziplinäre Projekt ist zunächst auf fünf Jahre ausgelegt und vereint die Physik-Fakultäten der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Weitere Partner sind die Universitätssternwarte München (USM), mehrere Max-Planck-Institute und die Europäische Südsternwarte (ESO).

Quelle: MPG / [BW/HOR]

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