12.10.2018

Grenzen der Mustergröße durchbrechen

Aktive Ströme als Teil einer selbst­organi­sierten Maschi­nerie.

Die Natur fasziniert mit auffälligen Mustern – wie Streifen oder Punkten auf Tier­fellen oder Muscheln. Wie solche Muster entstehen, beschäftigt Wissen­schaftler seit vielen Jahr­zehnten, seit der Pionier­arbeit von Alan Turing, dem bekannten britischen Mathe­matiker des ver­gan­genen Jahr­hunderts, in den 1950er Jahren. Jean-Daniel Julien und Karen Alim vom MPI für Dynamik und Selbst­organi­sa­tion gelang es jetzt zu zeigen, wie Strömungen die an Muster­bildungs­prozesse koppeln, die üblichen Grenzen der Muster­größe durch­brechen können. Hierzu reicht es aus, dass Strömungen einen der Boten­stoffe des Muster­bildungs­prozesses mit sich reißen. Der neu ent­deckte Mecha­nismus ermög­licht es daher, die üblichen Ein­schrän­kungen der Muster­größe, die durch physi­ka­lische Para­meter begrenzt wird, zu über­winden. In Zukunft könnte dieser neu ent­deckte Mecha­nismus der Strömungen genutzt werden, um Flüssig­keiten oder starre Objekte über lange Strecken in intel­li­genten Materi­alien, zum Beispiel aktiven Hydro­gelen zu bewegen.

Abb.: Physarum polycephalum, eines der Modell­objekte der Forschungs­gruppe Bio­lo­gische Physik und Morpho­genese, ist bekannt für seine lang­reich­wei­tigen Strömungen, die durch die bemerkens­wert organi­sierten wellen­förmigen Kontrak­tionen seiner netz­werk­artigen Röhren erzeugt werden. (Bild: M. Kramar, MPIDS)

Flüsse über bemerkenswert lange Strecken sind entscheidend für das Funktio­nieren vieler Orga­nismen in allen Lebens­bereichen. Sie sind von grund­legender Bedeu­tung, um die für Migra­tion oder Ent­wick­lung erforder­lichen Defor­ma­tionen zu erzeugen oder Ressourcen und Signale zu ver­teilen. Einer der Haupt­mecha­nismen, um solche Ströme zu erzeugen, sind sich aus­brei­tende wellen­förmige Muster aus zusammen­ge­zogenen und gedehnten Bereichen. Je länger sich die Wellen­länge des Musters ver­zweigt, desto stärker sind die Ströme. Wie Turing heraus­fand, ist die Muster­größe jedoch durch die physi­ka­lischen Para­meter begrenzt. Lässt sich diese Grenze über­schreiten, indem die Ströme an die Bewegung des Zusammen­ziehens und anschlie­ßenden Dehnens gekoppelt werden?

Dieser Frage gingen die beiden Forscher nach, indem sie in einem mathe­ma­tischen Modell die möglichen Aus­wir­kungen von Strömungen auf Muster unter­suchten. Ein Signal­molekül akti­viert die Wellen­muster, wird aber auch mit dem von ihm erzeugten Fluss selbst trans­portiert. Der Trans­port erleichtert die Aus­brei­tung der Mole­küle, was wiederum die Organi­sa­tion ver­bessert und die Grenze der Größe des Wellen­musters um fast eine Größen­ordnung ver­schiebt. Dieser ein­fache Mecha­nismus erklärt das Ent­stehen von weit­rei­chenden Mustern, deren Größen die physischen Ein­schrän­kungen durch­brechen.

„Unsere Arbeit zeigt die Bedeutung aktiver Ströme in bio­physi­ka­lischen Muster­modellen, nicht nur als regu­lie­render Input oder in sich schlüs­sigem Output, sondern auch als kom­pletter Teil einer selbst­orga­ni­sierten Maschi­nerie“, sagt Julien. Und Alim ergänzt: „Kontrak­tionen und Flüssig­keits­strömungen werden in allen Arten von Orga­nismen beob­achtet, so dass unser neues Konzept wahr­schein­lich für eine breite Klasse von Systemen rele­vant sein wird, insbe­son­dere bei der Ent­wick­lung von Orga­nismen, wo Signal­moleküle in kurzer Zeit recht große Distanzen über­brücken müssen.“

MPIDS / RK

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