25.05.2020

Hautatmung dank Spezialsalbe

Emulsion aus Fluorkohlenstoffen soll Sauerstoffaufnahme über die Haut drastisch erhöhen.

Es klingt ein wenig nach Science Fiction, ist aber tatsächlich Wissenschaft: Forscher der Universität des Saarlandes arbeiten an einem Projekt, das die Sauerstoff­aufnahme über die Haut drastisch verbessern soll. Üblicherweise spielt die Haut dabei nur eine sehr geringe Rolle: Etwa 0,4 Prozent des benötigten Sauerstoffs gelangen über das größte Organ des Menschen in den Körper. Gelänge es hingegen, eine Salbe auf Basis von Fluor­kohlen­stoffen zu entwickeln, könnte die Sauerstoff­aufnahme über die Haut unter gewissen Bedingungen verzwanzig­facht werden. 
 

Abb.: Lars Kaestner (Bild: T. Mohr)
Abb.: Lars Kaestner (Bild: T. Mohr)

„Eine Steigerung auf etwa zehn Prozent der üblichen Sauerstoff­versorgung könnte intensiv­medizinisch zu versorgenden Patienten, wie aktuell zum Beispiel an Covid-19 erkrankten Menschen, helfen, eine kritische Phase zu überleben“, erläutert der Biophysiker Lars Kaestner den Hintergrund. Er ist der feder­führende Wissenschaftler des Projektes. 

„Beatmungsgeräte bleiben sicherlich die erste Wahl, um Patienten mit Covid-19 mit Sauerstoff zu versorgen“, sagt er. „Aber in vielen Ländern dürfte es auch mittelfristig nicht genügend Beatmungs­geräte geben, um alle schwer verlaufenden, beatmungspflichtigen Covid-19-Fälle zu behandeln“, erklärt Lars Kaestner. „Insofern könnte die Erhöhung der transdermalen Sauer­stoff­versorgung sowohl Patienten helfen, die keinen Zugang zu Beatmungs­geräten haben, als auch Patienten, bei denen die Beatmungs­geräte nicht ausreichen.“ 

In einem ersten Schritt wollen Lars Kaestner und seine Kooperations­partner nun herausfinden, ob ihre Annahme, dass mithilfe eines Gels bzw. einer Emulsion aus Fluor­kohlen­stoffen (einer Stoffgruppe, zu der auch Teflon zählt, nur in kürzeren Ketten bzw. Ringen, so dass die Substanzen bei Raum- und Körper­temperaturbereich flüssig sind) die Sauerstoff­aufnahme über die Haut verbessert werden kann, auch tatsächlich stimmt. 

Messen sie im Tierversuch, dass tatsächlich mehr Sauerstoff in den Körper gelangt, folgen in einem weiteren Schritt Experimente mit freiwilligen, gesunden Probanden. Schritt drei wäre dann der Test mit Beatmungspatienten. „All diese Tests werden natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen“, so Lars Kaestner. Da die beteiligten Substanzen aber allesamt unbedenklich sind, könnte die Testphase unter den üblichen Zeit­maßstäben wissenschaftlicher Testverfahren recht schnell abgeschlossen sein. „Wir rechnen damit, dass wir in etwa sechs Monaten belastbare Ergebnisse haben werden, so dass eine entsprechende Salbe möglicherweise recht schnell auf den Markt kommen könnte“, meint Lars Kaestner. 

„Es ist zugegebener­maßen eine etwas verrückte Idee“, räumt er ein. „Aber davon lebt ja die Wissenschaft.“ Folgerichtig hat der Biophysiker den Projektantrag bei der Volkswagen-Stiftung in der Förder­richt­linie „Off the beaten track“ eingereicht. Im Deutschen trägt die Förder­richt­linie den Titel „Offen für Außer­gewöhnliches“. 

U. Saarland / DE
 

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