Hautatmung dank Spezialsalbe
Emulsion aus Fluorkohlenstoffen soll Sauerstoffaufnahme über die Haut drastisch erhöhen.
Es klingt ein wenig nach Science Fiction, ist aber tatsächlich Wissenschaft: Forscher der Universität des Saarlandes arbeiten an einem Projekt, das die Sauerstoffaufnahme über die Haut drastisch verbessern soll. Üblicherweise spielt die Haut dabei nur eine sehr geringe Rolle: Etwa 0,4 Prozent des benötigten Sauerstoffs gelangen über das größte Organ des Menschen in den Körper. Gelänge es hingegen, eine Salbe auf Basis von Fluorkohlenstoffen zu entwickeln, könnte die Sauerstoffaufnahme über die Haut unter gewissen Bedingungen verzwanzigfacht werden.
„Eine Steigerung auf etwa zehn Prozent der üblichen Sauerstoffversorgung könnte intensivmedizinisch zu versorgenden Patienten, wie aktuell zum Beispiel an Covid-19 erkrankten Menschen, helfen, eine kritische Phase zu überleben“, erläutert der Biophysiker Lars Kaestner den Hintergrund. Er ist der federführende Wissenschaftler des Projektes.
„Beatmungsgeräte bleiben sicherlich die erste Wahl, um Patienten mit Covid-19 mit Sauerstoff zu versorgen“, sagt er. „Aber in vielen Ländern dürfte es auch mittelfristig nicht genügend Beatmungsgeräte geben, um alle schwer verlaufenden, beatmungspflichtigen Covid-19-Fälle zu behandeln“, erklärt Lars Kaestner. „Insofern könnte die Erhöhung der transdermalen Sauerstoffversorgung sowohl Patienten helfen, die keinen Zugang zu Beatmungsgeräten haben, als auch Patienten, bei denen die Beatmungsgeräte nicht ausreichen.“
In einem ersten Schritt wollen Lars Kaestner und seine Kooperationspartner nun herausfinden, ob ihre Annahme, dass mithilfe eines Gels bzw. einer Emulsion aus Fluorkohlenstoffen (einer Stoffgruppe, zu der auch Teflon zählt, nur in kürzeren Ketten bzw. Ringen, so dass die Substanzen bei Raum- und Körpertemperaturbereich flüssig sind) die Sauerstoffaufnahme über die Haut verbessert werden kann, auch tatsächlich stimmt.
Messen sie im Tierversuch, dass tatsächlich mehr Sauerstoff in den Körper gelangt, folgen in einem weiteren Schritt Experimente mit freiwilligen, gesunden Probanden. Schritt drei wäre dann der Test mit Beatmungspatienten. „All diese Tests werden natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen“, so Lars Kaestner. Da die beteiligten Substanzen aber allesamt unbedenklich sind, könnte die Testphase unter den üblichen Zeitmaßstäben wissenschaftlicher Testverfahren recht schnell abgeschlossen sein. „Wir rechnen damit, dass wir in etwa sechs Monaten belastbare Ergebnisse haben werden, so dass eine entsprechende Salbe möglicherweise recht schnell auf den Markt kommen könnte“, meint Lars Kaestner.
„Es ist zugegebenermaßen eine etwas verrückte Idee“, räumt er ein. „Aber davon lebt ja die Wissenschaft.“ Folgerichtig hat der Biophysiker den Projektantrag bei der Volkswagen-Stiftung in der Förderrichtlinie „Off the beaten track“ eingereicht. Im Deutschen trägt die Förderrichtlinie den Titel „Offen für Außergewöhnliches“.
U. Saarland / DE