07.02.2024

Havelland-Meteorite gehören einer seltenen Klasse an

Bruchstücke des Ein-Meter-Asteroiden werden als Aubrit klassifiziert.

Erste Untersuchungen der Meteorite aus dem Streufeld des Asteroiden 2024 BX1, der am 21. Januar 2024 nordwestlich von Berlin nahe Ribbeck die Atmosphäre durchschlug, sind am Museum für Naturkunde Berlin (MfN) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vorgenommen worden. Die walnuss­großen Meteorite haben die seltene chemische Zusammen­setzung vom Typ Aubrit. Die Ergebnisse der Klassifikation wurden am 2. Februar 2024 bei der internationalen Nomenklatur­kommission der Meteoritical Society zur Prüfung und Bestätigung eingereicht. „Die Funde sind ein Glücksfall für die Meteoriten- und Planeten­forschung“, freut sich Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planeten­forschung in Berlin, „diese seltenen Aubrite helfen uns sogar bei der Erforschung des Planeten Merkur, die wir ab Dezember 2025 mit der europäischen Mission BepiColombo beginnen werden.“

Abb.: Aubrit-Meteorit unter dem Mikroskop.
Abb.: Aubrit-Meteorit unter dem Mikroskop.
Quelle: DLR

Experten konnten aus den unterschiedlichen geometrischen Orientierungen der Leuchtspur berechnen, wo möglicherweise Bruchstücke, die beim Durchschießen der Atmosphäre nicht verglüht sind, als Meteorite auf die Erde gefallen sind: Sie konnten das Gebiet auf wenige Quadrat­kilometer von Äckern westlich von Berlin bei Nennhausen im Landkreis Havelland eingrenzen. In den einschlägigen Social-Media-Kanälen von Planeten­forschenden verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Interessierte machten sich am Sonntag und den Folgetagen auf die Suche nach Meteoriten – und waren überaus erfolgreich.

Es ist erst der achte Fall weltweit, für den die Kollision eines Asteroiden mit der Erde kurz vor dem Eintritt vorhergesagt wurde. Ein großes Such-Team des Museums für Naturkunde Berlin, des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und dem SETI Institute (USA) sammelte zwischen dem 21. und 28. Januar mehr als zwanzig Bruchstücke für die Forschungssammlung des Museums für Naturkunde. 

Die meisten Meteorite werden in Gebieten ohne Vegetation gefunden, wie in Wüsten oder auf den Eisflächen der Antarktis. Dass nun ein Meteoritenfall, dazu noch vorhergesagt, quasi vor der Haustüre von mehreren Forschungseinrichtungen passiert, ist ein ganz außergewöhnlicher Zufall. Drei Proben werden im Labor des DLR-Instituts für Planeten­forschung untersucht. Die ersten Ergebnisse der Untersuchungen eines dieser Stücke mit der Elektronen­strahlmikrosonde des Museums für Naturkunde belegen die typische Mineralogie und chemische Zusammensetzung eines Achondriten vom Typ der Aubrite. Achondrite sind Stein­meteoriten, die nicht, wie die meisten Meteorite, aus millimeterkleinen Kügelchen aufgebaut sind, sondern eine, gewöhnlichen Steinen ähnelnde Matrix haben.

Der Aubrit, an dem erstmals dieses Material beschrieben wurde, befindet sich sogar in der Forschungs­sammlung des Museums für Naturkunde Berlin. Dieser fiel, daher der Name, am 14. September 1836 bei Aubres im Südosten Frankreichs. „Anhand dieses Belegmaterials konnten wir relativ zügig eine grobe Einordnung vornehmen“, erläutert Ansgar Greshake, wissenschaftlicher Leiter der Meteoriten­sammlung des Berliner Museums. „Das unterstreicht die immense Bedeutung von Sammlungen für die Forschung. Weltweit gibt es bisher erst von elf beobachteten Aubrit-Fällen Material in Sammlungen.“ Das Berliner Museum kuratiert mit mehr als 12.000 Exemplaren eine der größten Meteoriten­sammlungen der Erde. Die Meteorite werden zu Forschungszwecken untersucht und zu einem Teil in der Ausstellung gezeigt. Meteorite stellen Urbausteine des Sonnensystems dar und sind wertvolle Proben für die Erforschung der Entstehung und Entwicklung von Planeten.

Aubrite sehen nicht aus, wie man sich allgemein Meteorite vorstellt. „Ein Aubrit ähnelt vom Aussehen her eher einem grauen Granit und besteht hauptsächlich aus den Magnesium-Silikaten Enstatit und Forsterit“, erklärt Christopher Hamann vom Berliner Natur­kundemuseum, der an der Erst­klassifikation beteiligt war. „Er enthält kaum Eisen und die Schmelzkruste, an denen man Meteorite üblicherweise gut erkennen kann, sieht völlig anders aus als bei den meisten anderen Meteoriten. Aubrite sind daher im Gelände schwierig zu erkennen.“ Die im Havelland gefundenen Bruchstücke werden nach Abschluss der Untersuchungen in verschiedenen, auf unterschiedliche wissen­schaftliche Aspekte spezialisierte Labore in Berlin, Dresden und Münster, der Öffentlichkeit in einer kleinen Sonderausstellung zugänglich gemacht. 

Der Zufälle nicht genug, nützen die Aubrite auch bei den Vorbereitungen für die Erforschung des Planeten Merkur mit der Raumsonde BepiColombo der Europäischen Weltraum­organisation Esa. Diese wird am 5. Dezember 2025 in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. „Aubrite sind die besten Analoge, die wir für die Oberfläche des Merkurs haben“, erklärt Jörn Helbert, Leiter der Abteilung Planetare Labore. Dort werden unter anderem Gesteins- und Staubproben, die man auf der Venus und dem Merkur vermutet, unter den dort herrschenden extrem hohen Temperaturen hinsichtlich ihrer spektralen Eigenschaften untersucht. 

„Dank dieses kosmischen Zufalls können wir an den Aubrit-Meteoriten gut anderthalb Jahre vor Missionsbeginn wichtige Untersuchungen an einem Merkur-Analog­gestein im Labor vornehmen. Dieser Zufall ist kaum zu fassen!“ Gemeinsam mit dem benachbarten DLR-Institut für Optische Sensorsysteme und der Universität Münster wurde am DLR für BepiColombo ein Spektrometer entwickelt, das die Mineralogie des Merkur kartieren wird.

DLR / JOL

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