30.04.2013

Heiße Zeiten für Herschel

Nach gut dreieinhalb Jahren ist das flüssige Helium des europäischen Weltraumteleskops aufgebraucht.

Das Kühlmittel an Bord des europäischen Herschel-Observatoriums ist – wie erwartet – zuende gegangen. Der „Moleküljäger“ HIFI, das Heterodyne Instrument for the Far-Infrared, eines der drei Instrumente von Herschel, kann nun keine weiteren Spektren von Himmelsobjekten mehr aufnehmen. Aber die wissenschaftliche Ausbeute ist beeindruckend. Durch HIFI können die Forscher den kosmischen Lebenszyklus des Gases, das zur Bildung von Sternen und von Planeten führt, wesentlich besser verstehen, sowie auch die Rolle der (Wasser-)Moleküle in diesem Zyklus.

Abb.: Das Weltraumteleskop Herschel mit seinem 3,5-Meter-Spiegel ist hier vor einer kombinierten Aufnahme des Sternentstehungsgebiets W40 im Sternbild Adler zu sehen. (Bild: ESA / SPIRE & PACS Cons. / Ph. André, CEA Saclay)

Unsere Milchstraße besteht keineswegs nur aus Sternen. Der Raum zwischen den für uns sichtbaren Sternen – entweder als Einzelsterne oder im Schein des Bandes der Milchstraße am Himmel – ist angefüllt mit Wolken von Gas und Staub. In diesen Überresten vergangener Generationen von Sternen bilden sich neue Sterne und auch Planeten. Das sind Sterne wie unsere Sonne und Planeten, wie wir sie in unserem Sonnensystem vorfinden. Durch all die Informationen, die sich in den mit HIFI gemessenen Spektrallinien verbergen, können wir nun die Details des kosmischen Kreislaufs von Gas und Staub wesentlich besser verstehen. HIFI hat eine Vielzahl einzigartiger Informationen aus sehr unterschiedlichen kosmischen Milieus zusammengetragen – von den ausgedehnten Hüllen um sterbende Sterne bis zu Kernbereichen ferner Galaxien sowie Kometen. Der Moleküljäger war dazu durch eine unschlagbare Kombination von nicht gestörter spektraler Abdeckung, hoher spektraler Auflösung und genauer Kalibration der Daten in der Lage. Vielleicht steht eine solche Kombination für die Erforschung des Weltraums in den nächsten vierzig Jahren nicht mehr zur Verfügung.

„Die Untersuchung des Wassermoleküls ist eines der wichtigsten Ziele für HIFI, wegen seines reichhaltigen Spektrums und weitverbreiteten Vorkommens, aber auch weil es eine so bedeutende Rolle bei der Entstehung von Sternen spielt“, sagt Frank Helmich vom niederländischen SRON-Institut, der Projektleiter für HIFI. „Wegen der Absorption durch den hohen Wasserdampfgehalts in unserer Erdatmosphäre stellen die mit HIFI im Weltraum gemessenen Daten ein Vermächtnis für die nächsten Jahrzehnte dar.“

Beobachtungen des Wassermoleküls ermöglichen die Erforschung einer neuen Art von Stoßwellen, wie sie bei Materieausflüssen im Zuge der Sternentstehung auftreten. Dieses Molekül dient ebenfalls zum Nachweis von Materie, die in den allerersten Stadien der Sternentstehung auf den Stern fließt und zur Erforschung des Wasservorrats in den äußeren Regionen von planetenformenden Scheiben, wobei dieses Wasser aus Eis freigesetzt wird, und zwar durch ein schwaches UV-Strahlungsfeld, das wiederum durch kosmische Strahlung erzeugt wird. Insgesamt führen diese Untersuchungen zur Erstellung einer kompletten Spur des Wassers – von kollabierenden Wolken bis zu fertigen Planetensystemen.

Neben der Untersuchung von bestimmten Molekülen zeichnet sich HIFI auch durch die Fähigkeit zu kompletten spektralen Abtastungen in größeren Wellenlängenbereichen aus. In einem solchen Spektrum findet man Zehntausende von einzelnen Spektrallinien, die bis zu 50 verschiedenen Molekülsorten zugeordnet werden können. Die Entstehung dieser Moleküle findet in interstellaren Gaswolken mit einem hohen Gehalt von Wasser und organischen, also Kohlenstoff-basierten Molekülen statt. Diese Beobachtungen lassen mit beispielloser Genauigkeit auf die chemische Zusammensetzung von sternbildenden Gaswolken schließen. Sie ermöglichen die Untersuchung der physikalischen Abläufe im Gas anhand von Hunderten bis Tausenden von Linien eines einzigen Moleküls.

„Wir haben vorher schon spektrale Durchmusterungen dieser Art mit bodengebundenen Teleskopen durchgeführt, aber erst die Ergebnisse mit HIFI haben uns wirklich die Augen für die Vielfalt und Komplexität geöffnet“, sagt Peter Schilke von der Universität zu Köln, der an zwei der Schlüsselprogramme mit HIFI beteiligt ist. „Die hohe Empfindlichkeit und exzellente Datenqualität, dazu der erstmalige Zugang zu den hohen Frequenzen im Terahertz-Bereich, machen HIFI einmalig. Die komplette Analyse dieser Daten wird uns noch viele Jahre beschäftigen.“

UzK / OD

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