03.05.2018

Helium im Planetenschweif

Erstmals Helium in erodierender Exoplaneten-Atmosphäre nachgewiesen.

Helium ist eines der häufigsten Elemente im All. Es ist neben Wasser­stoff nicht allein beim Urknall in riesigen Mengen entstanden, sondern auch ein Haupt­produkt der Kernfusions­prozesse im Innern von Sternen. Doch so wichtig die Kenntnis der Häufigkeit des zweit­leichtesten Elements auch ist, so schwer lässt sich dieses experi­mentell in der Atmosphäre von Exoplaneten beobachten. Während der Helium-Anteil der Himmels­körper in unserem Sonnen­system gut bekannt ist, lagen bislang zu den Atmo­sphären ferner Planeten keine Daten vor. Dank eines unge­wöhnlichen Planeten gelang einem inter­nationalen Astronomen­team nun mit Hilfe des Hubble-Weltaum­teleskops jedoch erstmals der Nachweis von Helium bei einem Exo­planeten.

Abb.: Der Exoplanet WASP-107b verliert aufgrund seiner geringen Schwerkraft unter anderem große Mengen Helium. (Bild: D. Deming, J. J. Spake et al., NPG)

Hierzu wählten die Forscher mit WASP-107b einen Planeten, der eine besondere Kombi­nation von Eigen­schaften aufweist. Er hat einerseits unge­fähr die Größe des Jupiter und zählt damit zu den Gasriesen. Anderer­seits ist er angesichts seiner räum­lichen Ausdehnung außer­gewöhnlich leicht und bringt nur etwa ein Achtel der Jupiter­masse auf die Waage. Diese Parameter haben stark dazu beige­tragen, dass der Verlust von Helium in der Planeten­atmosphäre nachge­wiesen werden konnte. Denn die geringe Dichte und Schwer­kraft führen dazu, dass WASP-107b seine Atmo­sphäre nur schwach an sich binden kann.

WASP-107b umkreist seinen Stern alle 5,7 Tage mit einem Radius von gut einem Zwanzigstel des Abstands der Erde zur Sonne. In diesem geringen Abstand erhält er eine hohe Dosis ultra­violetter Strahlung. Der Stern ist kleiner und kälter als unsere Sonne, zeigt aufgrund starker Magnet­felder aber eine starke ultra­violette Aktivität. Die starke ultra­violette Strahlung entreißt WASP-107b deshalb nicht nur Helium, sondern auch große Mengen Wasserstoff und andere Elemente mit ins All – wie bereits aus früheren Unter­suchungen bekannt.

Der Nachweis des Heliums gestaltete sich allerdings schwierig. Denn im dünnen Schweif einer ero­dierenden Planeten-Atmo­sphäre liegt der Großteil der Atome im Grund­zustand vor. Dabei absorbieren diese Atome vor allem im Ultra­violetten, was sich aufgrund der ebenfalls in diesem Spektral­bereich absor­bierenden Erdatmo­sphäre nur mit Weltraum­teleskopen bestätigen lässt. Gegen­wärtig ist allein das Hubble Space Telescope zu solchen Messungen über­haupt in der Lage. Noch dazu sind die Modelle, welcher Anteil abhängig von Transitphase und Wellen­länge weg­gefiltert wird, relativ komplex. Die Forscher nutzten deshalb einen meta­stabilen Zustand im Helium, zu dem die Atome über die Infrarot-Strahlung des Sterns angeregt werden. Diese Messungen im Nah-Infra­roten liefern deutlich klarere Ergeb­nisse als diejenigen im Ultra­violetten. Bereits ein einziger Transit reichte den Forschern deshalb aus, um die Spuren von Helium im Spektrum zu finden.

Bei einer Wellen­länge von 1,0833 Mikrometern, knapp unter dem sicht­baren Bereich, konnten die Forscher eine Absorptions­linie des meta­stabilen Heliums ausmachen, deren Stärke ungefähr einem zwanzigstel Prozent entsprach. Dieses Signal war rund fünfmal stärker als mögliche Fehler­quellen, die sich etwa aufgrund unge­wöhnlicher Stern­aktivität hätten ergeben können und entspricht einer Nachweis­signifikanz von 4,5 Sigma. Aus diesem Signal lässt sich auch die starke Erosion der Planeten­atmosphäre ablesen: WASP-107b dürfte in einem Zeitraum von einer Milliarden Jahre zwischen einem zehntel und vier Prozent seiner Masse ins All verlieren und sollte dement­sprechend einen riesigen, kometen­ähnlichen Schweif aufweisen.

Diese Messungen an anderen Planeten zu wiederholen, dürfte sich gegen­wärtig jedoch als ziemlich schwierig erweisen. Die plane­taren Parameter von WASP-107b sind selten, und die Suche nach Helium bei Exo­planeten gilt als notorisch schwierig. Da die Erdatmo­sphäre aber im Nah-Infraroten gut durch­lässig ist, könnten mit den kommenden Groß­teleskopen aber einige weitere Entdeckungen möglich werden.

So erwarten Exopla­neten-Forscher insbe­sondere bei kleineren Gas­planeten – etwa in Neptun-Größe – einen höheren Helium-Anteil als bei den Gasriesen. Da diese mittel­großen Planeten keine so starke Gravi­tation aufweisen, können sie den leichten und flüchtigen Wasser­stoff nicht besonders gut festhalten, wodurch sich die Zusammen­setzung der atmo­sphärischen Elemente Schritt für Schritt hin zu Helium verschiebt. So hat Jupiter etwa einen Helium-Anteil in der Atmo­sphäre von rund zehn Prozent, Saturn nur etwas über drei Prozent, während die Sonne knapp acht Prozent Helium aufweist. Die Atmo­sphäre von Neptun hingegen besteht zu rund 20 Prozent aus Helium, die des Uranus zu 15 Prozent. Auch Messungen noch schwererer Elemente wie Kohlen­stoff, Stickstoff und Sauer­stoff sind für das Verständnis der Entwicklung von Exoplaneten sehr wichtig und stehen auf der Beobachtungs­liste weit oben. Der erst 2017 entdeckte Planet WASP-107b wird dank seiner besonderen Eigen­schaften auch für das James Webb Space Telescope eines der ersten Untersuchungs­objekte sind.

Dirk Eidemüller

JOL

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