Helium im Planetenschweif
Erstmals Helium in erodierender Exoplaneten-Atmosphäre nachgewiesen.
Helium ist eines der häufigsten Elemente im All. Es ist neben Wasserstoff nicht allein beim Urknall in riesigen Mengen entstanden, sondern auch ein Hauptprodukt der Kernfusionsprozesse im Innern von Sternen. Doch so wichtig die Kenntnis der Häufigkeit des zweitleichtesten Elements auch ist, so schwer lässt sich dieses experimentell in der Atmosphäre von Exoplaneten beobachten. Während der Helium-Anteil der Himmelskörper in unserem Sonnensystem gut bekannt ist, lagen bislang zu den Atmosphären ferner Planeten keine Daten vor. Dank eines ungewöhnlichen Planeten gelang einem internationalen Astronomenteam nun mit Hilfe des Hubble-Weltaumteleskops jedoch erstmals der Nachweis von Helium bei einem Exoplaneten.
Abb.: Der Exoplanet WASP-107b verliert aufgrund seiner geringen Schwerkraft unter anderem große Mengen Helium. (Bild: D. Deming, J. J. Spake et al., NPG)
Hierzu wählten die Forscher mit WASP-107b einen Planeten, der eine besondere Kombination von Eigenschaften aufweist. Er hat einerseits ungefähr die Größe des Jupiter und zählt damit zu den Gasriesen. Andererseits ist er angesichts seiner räumlichen Ausdehnung außergewöhnlich leicht und bringt nur etwa ein Achtel der Jupitermasse auf die Waage. Diese Parameter haben stark dazu beigetragen, dass der Verlust von Helium in der Planetenatmosphäre nachgewiesen werden konnte. Denn die geringe Dichte und Schwerkraft führen dazu, dass WASP-107b seine Atmosphäre nur schwach an sich binden kann.
WASP-107b umkreist seinen Stern alle 5,7 Tage mit einem Radius von gut einem Zwanzigstel des Abstands der Erde zur Sonne. In diesem geringen Abstand erhält er eine hohe Dosis ultravioletter Strahlung. Der Stern ist kleiner und kälter als unsere Sonne, zeigt aufgrund starker Magnetfelder aber eine starke ultraviolette Aktivität. Die starke ultraviolette Strahlung entreißt WASP-107b deshalb nicht nur Helium, sondern auch große Mengen Wasserstoff und andere Elemente mit ins All – wie bereits aus früheren Untersuchungen bekannt.
Der Nachweis des Heliums gestaltete sich allerdings schwierig. Denn im dünnen Schweif einer erodierenden Planeten-Atmosphäre liegt der Großteil der Atome im Grundzustand vor. Dabei absorbieren diese Atome vor allem im Ultravioletten, was sich aufgrund der ebenfalls in diesem Spektralbereich absorbierenden Erdatmosphäre nur mit Weltraumteleskopen bestätigen lässt. Gegenwärtig ist allein das Hubble Space Telescope zu solchen Messungen überhaupt in der Lage. Noch dazu sind die Modelle, welcher Anteil abhängig von Transitphase und Wellenlänge weggefiltert wird, relativ komplex. Die Forscher nutzten deshalb einen metastabilen Zustand im Helium, zu dem die Atome über die Infrarot-Strahlung des Sterns angeregt werden. Diese Messungen im Nah-Infraroten liefern deutlich klarere Ergebnisse als diejenigen im Ultravioletten. Bereits ein einziger Transit reichte den Forschern deshalb aus, um die Spuren von Helium im Spektrum zu finden.
Bei einer Wellenlänge von 1,0833 Mikrometern, knapp unter dem sichtbaren Bereich, konnten die Forscher eine Absorptionslinie des metastabilen Heliums ausmachen, deren Stärke ungefähr einem zwanzigstel Prozent entsprach. Dieses Signal war rund fünfmal stärker als mögliche Fehlerquellen, die sich etwa aufgrund ungewöhnlicher Sternaktivität hätten ergeben können und entspricht einer Nachweissignifikanz von 4,5 Sigma. Aus diesem Signal lässt sich auch die starke Erosion der Planetenatmosphäre ablesen: WASP-107b dürfte in einem Zeitraum von einer Milliarden Jahre zwischen einem zehntel und vier Prozent seiner Masse ins All verlieren und sollte dementsprechend einen riesigen, kometenähnlichen Schweif aufweisen.
Diese Messungen an anderen Planeten zu wiederholen, dürfte sich gegenwärtig jedoch als ziemlich schwierig erweisen. Die planetaren Parameter von WASP-107b sind selten, und die Suche nach Helium bei Exoplaneten gilt als notorisch schwierig. Da die Erdatmosphäre aber im Nah-Infraroten gut durchlässig ist, könnten mit den kommenden Großteleskopen aber einige weitere Entdeckungen möglich werden.
So erwarten Exoplaneten-Forscher insbesondere bei kleineren Gasplaneten – etwa in Neptun-Größe – einen höheren Helium-Anteil als bei den Gasriesen. Da diese mittelgroßen Planeten keine so starke Gravitation aufweisen, können sie den leichten und flüchtigen Wasserstoff nicht besonders gut festhalten, wodurch sich die Zusammensetzung der atmosphärischen Elemente Schritt für Schritt hin zu Helium verschiebt. So hat Jupiter etwa einen Helium-Anteil in der Atmosphäre von rund zehn Prozent, Saturn nur etwas über drei Prozent, während die Sonne knapp acht Prozent Helium aufweist. Die Atmosphäre von Neptun hingegen besteht zu rund 20 Prozent aus Helium, die des Uranus zu 15 Prozent. Auch Messungen noch schwererer Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff sind für das Verständnis der Entwicklung von Exoplaneten sehr wichtig und stehen auf der Beobachtungsliste weit oben. Der erst 2017 entdeckte Planet WASP-107b wird dank seiner besonderen Eigenschaften auch für das James Webb Space Telescope eines der ersten Untersuchungsobjekte sind.
Dirk Eidemüller
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