10.04.2018

Hochleistungsmikroskop am Bungee-Seil

Patentierte Schwingungsdämpfung ermög­licht Ab­bil­dung ein­zelne Atome mit höch­ster Bild­qualität.

Es gehört zu den präzisesten Messgeräten, die es heute gibt: Im Hoch­leistungs­mikro­skop am Institut für ange­wandte Physik der TU Wien erzeugen Forscher Bilder ein­zelner Atome, indem sie eine extrem feine Nadel­spitze über eine Ober­fläche bewegen. Die Posi­tion dieser Spitze muss dabei mit einer Präzi­sion im Bereich von Piko­metern kontrol­liert werden. „Es ist als müsste man eine Nadel mit der Länge des gesamten Erd­durch­messers mit einer Präzi­sion im Milli­meter­bereich steuern“, erklärt Michael Schmid von der TU Wien.

Abb.: Das Hochleistungsmikroskop wird an Bungee-Seilen auf­ge­hängt. (Bild: TU Wien)

Jede Art von Vibration kann das Messergebnis unbrauchbar machen, daher ist es eine große tech­nische Heraus­forde­rung, aus einem solchen Mikro­skop die opti­male Leistung heraus­zu­holen. An der TU Wien gelingt das mit Hilfe einer spezi­ellen Vor­rich­tung, die selbst Schwin­gungen mit sehr nied­riger Frequenz fast voll­ständig dämpft. Das ganze Mikro­skop ist an Bungee-Seilen auf­ge­hängt, eine elek­tro­nische Steue­rung justiert die Auf­hän­gung ständig nach, um das Gerät gerade zu halten. Diese neu­ent­wickelte Schwin­gungs­dämpfung wurde nun paten­tiert.

„Andere Forschungsgruppen, die ähnliche Mikroskope betreiben, stellen sie in speziell schwin­gungs­ge­dämpften Kellern auf, oder in eigens dafür vor­ge­sehenen Gebäuden“, sagt Ulrike Diebold von der TU Wien. Sie wurde 2013 mit dem Witt­gen­stein-Preis aus­ge­zeichnet – und einen Teil des Preis­gelds hat sie in die Anschaf­fung eines besonders leistungs­fähigen Mikro­skops inves­tiert, das Raster­tunnel­mikro­skopie mit Raster­kraft­mikro­skopie ver­bindet. „Wenn ich dann erzähle, dass wir dieses Gerät in einem Hoch­haus mitten in Wien betreiben, direkt über der U-Bahn, ernte ich auf Kon­fe­renzen oft nur un­gläubige Blicke“

„Uns war rasch klar, dass herkömmliche Schwingungs­dämpfungen für unseren kompli­zierten Fall nicht aus­reichen“, sagt Schmid. „Kommer­ziell erhält­liche Lösungen filtern zwar hoch­frequente Schwin­gungen, aber die nied­rigen Frequenzen wird man damit kaum los.“ Schmid und sein Team ver­suchten zunächst, die auf­tretenden Schwin­gungen genau zu analy­sieren. Das Gebäude selbst schwingt mit einer Frequenz von wenigen Hertz – ange­trieben vom Wind. Auch die U-Bahn regt jedes Mal Schwin­gungen an, wenn sie unter dem Haus hin­durch­fährt. Manch­mal war Detektiv­arbeit nötig – etwa bei einer anfangs myste­riös erschei­nenden Schwin­gung bei zwanzig Hertz, die sehr stark zu spüren war und Messungen unmög­lich machte – aller­dings nur zu bestimmten Tages­zeiten. „Es dauerte eine Weile, bis wir erkannten, dass es sich dabei um die Schwin­gung der Kompres­soren im Keller handelt, mit denen Helium ver­flüssigt wird“, erzählt Schmid.

Gelöst haben die Forscher das Schwingungsproblem schließ­lich, indem sie das ganze Mikro­skop und die Metall­kon­struk­tion, auf der es montiert ist, an die Decke hängten – an Bungee-Seilen, deren elas­tische Eigen­schaften besonders gut geeignet sind, nieder­frequente Schwin­gungen zu dämpfen. Sie wurden in einer spezi­ellen, ver­winkelten Anord­nung befestigt, um ver­schiedene Schwin­gungs­rich­tungen gleich­zeitig dämpfen zu können. Die Vor­rich­tung schwebt etwa zwei Milli­meter über dem Boden, dort sind Abstands­sensoren ange­bracht. Ändert sich der Abstand, wird auto­ma­tisch nach­jus­tiert, indem einer von drei ver­schie­denen Elektro­motoren an zusätz­lichen Bungee-Seilen zieht. „Das ist wichtig, weil es während der Experi­mente zu Gewichts­ver­lage­rungen kommt“, erklärt Schmid. „Wir ver­wenden flüs­sigen Stick­stoff, um unsere Proben zu kühlen. Der Stick­stoff­vorrat befindet sich direkt am Mikro­skop, wenn er ver­dampft, wird er leichter – die Gesamt­kon­struk­tion muss aber exakt hori­zontal bleiben.“

Mit dieser Spezialaufhängung gelang es schließlich, die Möglich­keiten des Hoch­leistungs­mikro­skops voll aus­zu­nutzen – trotz des auf den ersten Blick ungüns­tigen Stand­orts. „Wir hätten sonst in ein anderes Gebäude aus­weichen müssen, aber das hätte wiederum andere Nach­teile mit sich gebracht“, sagt Diebold. „So hätten wir anderswo keinen so leichten Zugang zu flüs­sigem Stick­stoff und flüs­sigem Helium – die Infra­struktur für unsere Messungen ist genau hier im Frei­haus der TU Wien mitten in der Stadt optimal, wo aber die Vibra­tions­ver­hält­nisse alles andere als optimal sind.“

Mit der speziellen Vibrationsdämpfung wurden bereits zahl­reiche wissen­schaft­liche Messungen erfolg­reich durch­ge­führt, mehrere wissen­schaft­liche Publi­ka­tionen wurden über­haupt erst durch die Schwingungs­dämpfung möglich. Nun wurde die Erfin­dung mit Unter­stüt­zung des Forschungs- und Trans­fer­supports der TU Wien in Öster­reich paten­tiert – und auch eine inter­natio­nale Anmel­dung wurde bereits durch­ge­führt. „Wir hoffen natür­lich, dass auch andere Insti­tu­tionen unsere Idee auf­greifen und eben­falls ihre Ergeb­nisse so drastisch ver­bessern können wie wir“, sagt Schmid.

TU Wien / RK

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