Hurrikane wandern gen Norden
Mit dem Klimawandel nimmt das Sturmrisiko im Nordosten Nordamerikas zu.
Die bevölkerungsreiche Nordostküste der USA wird in Zukunft wohl immer häufiger von zunehmend stärkeren Hurrikanen heimgesucht werden. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Durham University in Großbritannien zusammen mit Sebastian Breitenbach von der Ruhr-Universität Bochum. Seit einigen Jahrhunderten wandert die Hurrikan-Sturmbahn allmählich in nördliche Richtung, aus der westlichen Karibik in den Nordosten Nordamerikas. Sie vermuten folgende Ursache für die veränderten Bahnen: Die atmosphärischen Zirkulationszonen dehnen sich aus, weil der Kohlendioxid-Ausstoß zugenommen und gleichzeitig die Emission kühlender Aerosole abgenommen hat. New York und andere Großstädte entlang der Nordostküste der USA würden somit immer häufiger von extremen Stürmen heimgesucht werden. „Sie sollten auf mögliche Folgen besser vorbereitet sein“, empfehlen die Wissenschaftler.
Abb.: Zwischen 1980 und 2005 wanderten die Bahnen der Wirbelstürme über dem Atlantik immer weiter gen Norden. (Bild: Nasa)
Das Forscherteam rekonstruierte die Niederschlagsmenge, die Hurrikane in der westlichen Karibik in den vergangenen 450 Jahren mit sich brachten, und dokumentierte, wie diese im Lauf der Zeit variierte. Dazu analysierten sie die chemische Zusammensetzung von Stalagmiten aus der Höhle Yok Balum im südlichen Belize in Zentralamerika. Das Forscherteam fand heraus, dass die durchschnittliche Anzahl der Hurrikane in Belize im Laufe der Zeit zurückgegangen ist – allerdings nicht, weil ihre Zahl im Nordatlantik insgesamt abnimmt, sondern aufgrund der verschobenen Sturmbahnen. Zusammen mit Daten von anderen Standorten, wie Bermuda und Florida, wiesen die Forscher nach, dass sich immer stärkere Hurrikane zunehmend in Richtung Norden bewegen.
Hurrikan-Bahnen verändern sich seit Jahrhunderten durch natürliche Temperaturschwankungen. Allerdings trifft ein auffälliger Rückgang der Zahl von Hurrikanen in der westlichen Karibik mit dem Höhepunkt der Industrialisierung im späten 19. Jahrhundert zusammen. Die neuen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die von Menschen verursachten Emissionen seit dem späten 19. Jahrhundert die Hauptursache dafür sind, dass sich die Hurrikan-Bahnen verschieben. Falls sich der Ausstoß von Kohlendioxid und Aerosol in der Industrie wie prognostiziert entwickelt, ist es wahrscheinlich, dass sich Hurrikane immer weiter nach Nordosten verlagern. Damit erhöht sich das Sturmrisiko für die Nordostküste der USA drastisch, warnen die Forscher. Eine Verschiebung der Hurrikan-Sturmbahnen nach Nordosten bedeute zudem nicht zwangsläufig, dass die Gefahr von tropischen Wirbelstürmen in der Karibik sinke.
Die steigenden Temperaturen der Meeresoberfläche könnten die Bildung von Wirbelstürmen in der westlichen Karibik begünstigen. So vermuten die Forscher, dass die Aktivität tropischer Wirbelstürme in der gesamten westlichen Karibik im 21. Jahrhundert konstant bleiben wird. Die hohen Meerestemperaturen liefern allerdings zusätzliche Energie, die extremere Wirbelstürme speisen könnte. Sebastian Breitenbach vom RUB-Lehrstuhl für Sediment- und Isotopengeologie ist seit fast zehn Jahren an Klimastudien in Belize beteiligt. Er arbeitet in einem großen interdisziplinären Team. „Anders ist es nicht möglich, die komplexen Zusammenhänge zu lösen“, sagt er. Einerseits sei es hochspannend, den Einfluss des Klimas auf den Menschen zu entschlüsseln. Andererseits werde der Einfluss des Menschen auf das Klima zunehmend sichtbar. „Unsere Forschung liefert grundlegende Erkenntnisse, die die Relevanz dieser Interaktion zwischen Mensch und Natur aufzeigen“, so Breitenbach. Noch vor vier bis sechs Jahren sei es nicht möglich gewesen, mit so hoher raumzeitlicher Auflösung wie heute die Zugbahnen vergangener Hurrikane zu bestimmen.
RUB / JOL