02.10.2017

Inventur der Gewitter

Sturm, Hagel und Starkregen verursachen jedes Jahr deutschlandweit etwa zwei Milliarden Euro Schaden.

Wer Angst vor Gewittern hat, sollte nach Kiel ziehen. Wer sich von Blitz und Donner wenig einge­schüchtert oder gar beflügelt fühlt, lässt sich am besten in Garmisch-Parten­kirchen nieder. Denn während es in der Landes­hauptstadt von Schleswig-Holstein im Mittel die wenigsten Gewitter gibt, zucken Blitze über dem ober­bayerischen Skiort besonders häufig. Daten von Gewittern haben Wissen­schaftler des Karlsruher Instituts für Tech­nologie KIT ausge­wertet.

Abb.: Im Voralpenraum kommt es mit am häufigsten zu Gewittern, an den Küsten am seltensten. (Bild: M. Kunz, KIT)

Auswirken kann sich die Gewitter­häufigkeit nicht nur auf den Zustand des Nerven­kostüms, sondern auch den des Geld­beutels: „Schwere Gewitter, insbe­sondere wenn sie mit großen Hagelkörnern, Stark­nieder­schlägen und Sturmböen verbunden sind, führen immer wieder zu hohen Schäden an Gebäuden, Fahrzeugen und landwirt­schaftlichen Kulturen“, sagt Michael Kunz vom Institut für Meteo­rologie und Klima­forschung (IMK) des KIT. Als Beispiel nennt er die beiden besonders schweren Gewitter, die Ende Juli 2013 in Nieder­sachsen und Süddeutsch­land Zer­störungen von rund drei Milliarden Euro anrichteten. „Das war der größte versicherte Schaden weltweit durch Natur­katastrophen in diesem Jahr“, so Kunz weiter. Allein in den vergan­genen fünf Jahren haben schwere Gewitter nach Angaben von Rück­versicherern Gesamt­schäden von insgesamt 10,4 Milliarden Euro ange­richtet, so der Experte.

„Wie häufig es zu Gewittern kommt, hängt stark von der Region ab“, sagt David Piper vom IMK. In Deutsch­land gebe es die meisten Gewitter­tage – solche mit mindestens fünf Blitzen am Tag auf einer Fläche von fünf mal fünf Quadrat­kilometern – am Alpen­rand und im Alpen­vorland, mit einem Schwerpunkt westlich und östlich von Garmisch-Parten­kirchen. Insgesamt gibt es im bayerischen Voralpen­raum bis zu 15 Gewitter­tage pro Jahr. Weitere Häufungen gebe es zwischen Neckar und Schwä­bischer Alb, im Erz­gebirge sowie im Bayerischen Wald. „Am sel­tensten sind Gewittertage entlang der Nord- und Ostsee­küste“, sagt Piper. „Im Jahr 2010 zum Beispiel gab es in der Region zwischen Hamburg und Bremen vieler­orts überhaupt keine Gewitter.“ Im Durch­schnitt gibt es in Nord­deutschland zwei Gewitter­tage pro Jahr, im Raum Karlsruhe sind es sieben. Gewitter-Hoch­saison ist von Juni bis August mit einem Höhepunkt im Juli. Meist kracht es am Himmel nach­mittags oder am frühen Abend, wenn die höchsten Tempera­turen vorliegen. Größere Gewitter­cluster, die sich über groß­räumige Mecha­nismen oder aus voran­gegangenen Gewittern bilden, bilden sich dagegen bevorzugt in der Nacht.

Nimmt man dazu Öster­reich, die Schweiz, die Bene­lux-Länder und Frank­reich in den Blick, fällt auf, dass die Zahl der Gewitter­tage von Nord­westen nach Südosten hin zunimmt. So werden die meisten Gewitter­tage in Teilen der öster­reichischen Südalpen sowie in einem Streifen vom Tessin bis in das Umland von Turin beobachtet. Gewitter­hochburg ist die Steiermark mit 34 Gewittertagen im Jahr 2009. Verant­wortlich für die Gewitter­häufigkeit sind drei Faktoren: die Ent­fernung vom Meer, die ört­liche Landschafts­beschaffenheit und die Feuchte in Boden­nähe. „Das Meer hat einen gewitter­hemmenden Einfluss, da das Wasser im Sommer die unteren Luft­schichten kühlt und somit stabi­lisiert“, sagt Piper. Dagegen zwinge gebir­giges Gelände die Luft zum Auf­steigen und lasse so leichter Gewitter entstehen.

Eine Zu- oder Abnahme der Gewitter­häufigkeit lasse sich hingegen bisher nicht erkennen, so die Wetter­experten. Statt­dessen schwanke die Gewitter­aktivität sehr stark von Jahr zu Jahr. Diese jähr­lichen Schwankungen sind sowohl durch groß­räumige Strömungs­muster als auch durch die Meeres­oberflächen­temperatur bestimmt. So ist beispiels­weise in weiten Teilen des Untersuchungs­gebiets die Gewitter­aktivität bei starkem Westwind deutlich ver­ringert. Die Frage der hohen jähr­lichen Varia­bilität, die besonders für Versiche­rungen interes­sant ist, wollen die Forscher in Zukunft näher unter­suchen.

KIT / JOL

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