20.11.2013

James Franck und Thomas Mann verhalfen ihm zur Flucht

Vor fünfzig Jahren starb Peter Pringsheim

Peter Pringsheim war Anfang 50, als die Nazis ihn 1933 durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von seiner Professur vertrieben. 25 Jahre zuvor war er als junger Hilfsassistent an das Physikalische Institut der Universität Berlin unter der Leitung von Heinrich Rubens gekommen. Nach seiner Habilitation 1920 hatte sich Pringsheim beständig die Karriereleiter empor gearbeitet und einen Ruf als Begründer der Lumineszenzforschung erworben. Drei Jahre vor seiner Entlassung war er persönlicher Ordinarius an der Universität Berlin geworden.

Dank seiner belgischen Frau Emilia Clément fand Peter Pringsheim schnell eine neue Stelle an der Universität in Brüssel. Doch als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde er als feindlicher Ausländer auf der Straße verhaftet und in das berüchtigte Lager von Gurs in Südfrankreich gebracht. Als die Nazis in Frankreich einmarschierten, drohte ihm als „Nicht-Arier“ die Deportation. Hilfe in letzter Minute kam von Thomas Mann, dem Ehemann seiner Schwester Katia Pringsheim, und seinem früheren Kollegen James Franck: Sie ermöglichten seine sofortige Einwanderung in die USA, indem sie Peter Pringsheim eine Übergangsstelle in Berkeley verschafften. Finanziert war diese zur Hälfte vom „Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scolars“ und zur Hälfte von Thomas Mann. Franck schildert den Kollegen nach dem einjährigen Aufenthalt im Lager als „fast unverändert, etwas dünner, in etwas vertragener Kleidung, aber seelisch und geistig völlig unbeeinflußt durch alles, was er durchgemacht hatte.“

Peter Pringsheim (Bild: Johan Hagemeyer/ AIP Emilio Segre Visual Archives)

Seine beachtliche Anpassungsfähigkeit an äußere Umstände hatte Peter Pringsheim bereits zuvor unter Beweis gestellt. Geboren als Sohn des Mathematik-Professors Alfred Pringsheim, der einer äußerst wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie aus Schlesien entstammte, wuchs er in einem Elternhaus auf, in dem sich die geistige und literarische Elite Münchens traf. Er studierte Physik und Chemie an der Ludwig-Maximillians-Universität, promovierte bei Wilhelm Conrad Röntgen und ging als Assistent nach Gießen. In Cambridge ermutigte ihn J. J. Thomson, sein Forschungsgebiet von der Physik der Gasentladungen zum lichtelektrischen Verhalten der Alkalimetalle zu verlagern.

In Berlin verfolgte Peter Pringsheim die Lumineszenzforschung mit seinen dortigen Kollegen James Franck und Robert Pohl weiter. Seine Stärke bestand darin, Querverbindungen zwischen den grundlegenden Erkenntnissen von Franck und den von Pohl erforschten Anwendungen der Festkörperlumineszenz herzustellen. 1914 veröffentlichte er mit Pohl sein erstes Fachbuch „Die lichtelektrischen Erscheinungen“. Im gleichen Jahr überraschte ihn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf einer Tagung der „British Association for the Advancement of Science“ in Australien. Er wurde als feindlicher Ausländer interniert und durfte erst 1919 nach Berlin zurückkehren. Pringsheim hielt sich, vermutlich dank der Intervention Ernest Rutherfords, durch das Studium von Fachzeitschriften auf dem Laufenden. So konnte er die Zeit nutzen, um das Manuskript eines weiteren Lehrbuchs zu schreiben, das 1921 unter dem Titel „Fluoreszenz und Phosphoreszenz im Lichte der neueren Atomtheorie“ erschien.

Als Wissenschaftler zeichneten Peter Pringsheim nach dem Urteil von James Franck Imagination und strenge Selbstkritik aus. Vor allem letztere sei die Bedingung für die typische Sorgfalt seiner Beobachtungen gewesen. „Nie hat er etwas zurücknehmen müssen, obgleich manche Resultate, die unerwartet waren, zuerst angezweifelt wurden.“ Diese Qualitäten ermöglichten ihm eine zweite Karriere in den USA: Noch vor Ablauf der Übergangsstelle in Berkeley konnte Franck ihm eine Stelle an seinem Institut an der University of Chicago vermitteln, die kriegsbedingt vakant war. Im September 1944 nahm Pringsheim eine Stelle in der Industrie an, wurde aber im Juli 1946 entlassen, weil das Unternehmen seine Forschungsabteilung schloss. Wiederum auf Vermittlung von James Franck arbeitete Pringsheim dann bis zu seiner Emeritierung 1954 am Argonne National Laboratory in Chicago.

In seiner Forschung konzentrierte sich Peter Pringsheim vor allem auf die Lumineszenz von Gasen und Dämpfen, insbesondere der Alkalielemente und Halogene. Er gab den Anstoß für die Entwicklung von Messmethoden, mit denen sich die Leuchtdauer schnell abklingender Lumineszenzen bestimmen lässt. Ebenso gehörte er zu den ersten, die sich mit der Fluoreszenz organischer Moleküle beschäftigten. In seinen letzten Jahren untersuchte er die Stabilität der Farbzentren in Alkalihalogeniden und fand bei sehr niedrigen Temperaturen scharfe Absorptionslinien, die bis dahin nur für die Salze Seltener Erden bekannt waren. Fast zehn Jahre später konnten diese Beobachtungen als Analogie zum Mössbauer-Effekt interpretiert werden.

Bis auf die schon in der Jugend auftretenden Gichtanfälle, die er durch das Lesen schöngeistiger Literatur bewältigte, war Peter Pringsheim bis zu seinem 80. Lebensjahr bei guter Gesundheit. „Abgesehen von Besuchen von Konzerten, Theatern, Vorträgen und Museen lebte er sehr ruhig. Im Institut von morgens bis abends zu experimentieren war ihm mehr Freude als Arbeit“, schrieben Franck und Pohl in ihrem Nachruf. Seinen Lebensabend verbrachte Peter Pringsheim mit seiner Frau in Antwerpen, wo er vor 50 Jahren im Alter von 82 starb.

Anne Hardy 

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