Jenseits des Heisenberg-Limits
Präzisere Quantenmessung mit wechselwirkenden Photonen.
Präzisere Quantenmessung mit wechselwirkenden Photonen.
Die Quantenmetrologie untersucht, wie man eine physikalische Größe mit Hilfe der Quantenphysik möglichst genau messen kann. So lässt sich z.B. die Genauigkeit dadurch verbessern, dass man quantenmechanisch verschränkte Teilchen als Messsonden einsetzt. Der dabei erreichbare „Heisenberg-Limit“ lässt sich indes noch unterschreiten, wenn die Teilchen miteinander wechselwirken. Spanische Forscher am Institut de Ciencies Fotoniques in Castelldefels haben diese Vorhersage jetzt mit Photonen experimentell bestätigt.
Abb.: Der Fehler der gemessenen atomaren Magnetisierung (blaue Punkte) liegt deutlich unter dem Heisenberg-Limit und nimmt schneller mit der Photonenzahl ab als dieser. Für große Photonenzahlen tritt allerdings eine Sättigung auf. (M. Napolitano et al., Nature)
Morgan Mitchell und seine Kollegen haben die Magnetisierung einer Wolke aus einer Million kalten Rubidium-87-Atomen, die sich in einem Magnetfeld befanden und in einer Falle festgehalten wurden, mit polarisierten Laserpulsen gemessen. Die Laserfrequenz war einerseits so weit von der atomaren Resonanzfrequenz entfernt, dass das Licht nur geringfügig absorbiert wurde, andererseits war sie so nahe an der Resonanz, dass optische Nichtlinearitäten resonant verstärkt wurden. Die Forscher bestimmten die Magnetisierung der Atomwolke zerstörungsfrei, indem sie die Faraday-Drehung der Polarisationsrichtung des Lichtes maßen.
Die Messung ließ sich dadurch genauer machen, dass die Lichtintensität und somit die Zahl der Photonen N erhöht wurde, die die Magnetisierung M abfragten. Für voneinander unabhängige Photonen wird die Messgenauigkeit ΔM durch das Schrotrauschen limitiert. Bei großen Photonenzahlen verhält sie sich wie ΔM ~ 1/N1/2, also genau so wie die Messgenauigkeit von N unabhängigen Messungen. Benutzt man hingegen verschränkte Photonen, so ermöglicht es deren Korrelation, die Messgenauigkeit zu erhöhen. Im Grenzfall erwartet man ΔM ~ 1/N, den sogenannten Heisenberg-Limit.
Diesen Heisenberg-Limit haben die Forscher nun mit Hilfe von nicht verschränkten Photonen unterlaufen, die aufgrund von nichtlinearen Effekten in der Atomwolke miteinander wechselwirken. Treten etwa Nichtlinearitäten der Ordnung k>1 auf, wechselwirken also k Photonen miteinander, so erhält man ΔM ~ 1/Nk für verschränkte Photonen und ΔM ~ 1/Nk-1/2 für nichtverschränkte Photonen, wie theoretische Untersuchungen gezeigt hatten. Für k>1 wird in beiden Fällen der Heisenberg-Limit gebrochen.
Die Forscher haben für eine große Zahl von Laserpulsen unterschiedlicher Intensität die Faraday-Drehung der Polarisationsebene des Lichtes gemessen. Mit 1 µs langen Pulsen von geringer Intensität bestimmten sie die lineare Faraday-Drehung für eine geringe Photonendichte, bei der die Photonen nicht miteinander wechselwirkten. Dann folgte jeweils ein 54 ns langer Puls hoher Intensität, der zwischen 5×105 und 5×107 paarweise wechselwirkende Photonen enthielt. Sie verursachten eine nichtlineare Faraday-Drehung, die mit der zuvor gemessenen linearen Drehung kalibriert wurde. Schließlich folgten wieder lange Pulse geringer Intensität, deren Faraday-Drehung zeigte, dass der intensive Puls die Magnetisierung der Atomwolke nicht gestört hatte.
Je höher die Photonenzahl N der kurzen, intensiven Pulse war, umso kleiner war die Streuung der kalibrierten nichtlinearen Faraday-Drehung um ihren Mittelwert. Im Bereich von 106 bis 107 Photonen verhielt sich die gemessene Streuung ΔM wie 1/N3/2. Sie nahm also mit wachsendem N schneller ab, als es dem Heisenberg-Limit 1/N entspricht. Für dieses „Super-Heisenberg-Verhalten“ durfte die Photonenzahl allerdings nicht zu groß werden. Oberhalb von N=2×107 zeigte die nichtlineare Faraday-Drehung eine Sättigung, was dazu führte, dass der Messfehler nun langsamer mit N abnahm und sich dem Heisenberg-Limit annäherte. Die Wechselwirkung der Photonen kann also die Messgenauigkeit vergrößern, vorausgesetzt dass das „Super-Heisenberg-Verhalten“ für hinreichend große Photonenzahlen anhält.
Rainer Scharf