Junge Sterne im Zentrum der Milchstraße
Ungewöhnlich junge Sterne in unmittelbarer Umgebung des zentralen supermassiven Schwarzen Lochs entdeckt.
Ein internationales Team um Florian Peißker vom Institut für Astrophysik der Universität zu Köln hat einen jungen Sternhaufen in der direkter Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs Sagittarius A* (Sgr A*) im Zentrum unserer Galaxie im Detail analysiert und gezeigt, dass er deutlich jünger ist als erwartet. Dieser Sternhaufen, bekannt als IRS13, wurde zwar bereits vor über zwanzig Jahren entdeckt, aber erst jetzt ist es durch die Kombination verschiedenster Daten – aufgenommen mit einer Vielzahl von Teleskopen über einen Zeitraum mehrerer Jahrzehnte – gelungen, die Sternhaufenmitglieder im Detail zu bestimmen. Die Sterne sind einige 100.000 Jahre alt und damit für stellare Verhältnisse außerordentlich jung. Zum Vergleich: Unsere Sonne ist rund fünf Milliarden Jahre alt. Eigentlich sollte es aufgrund der hochenergetischen Strahlung wie auch der Gezeitenkräfte der Galaxie nicht möglich sein, dass sich eine derart große Anzahl so junger Sterne in der direkten Umgebung zum supermassereichen schwarzen Loch befindet.
In Zusammenhang mit der aktuellen Studie wurde zudem ein weiteres herausragendes Ergebnis publiziert. Zum ersten Mal wurde mit dem James Webb-Weltraumteleskop (JWST) ein Spektrum, frei von atmosphärischer Störung, vom galaktischen Zentrum aufgenommen. Ein Prisma an Bord des Teleskops wurde am Institut für Astrophysik in der Arbeitsgruppe um Andreas Eckart, einem Koauthor der Publikation, entwickelt. Das nun vorliegende Spektrum zeigt, dass sich im galaktischen Zentrum Wassereis befindet. Dieses Wassereis, welches sich häufig in den staubigen Scheiben um sehr junge stellare Objekte befindet, ist ein weiterer unabhängiger Indikator für das junge Alter einiger Sterne nahe des Schwarzen Lochs.
Neben dem unerwarteten Nachweis von jungen Sternen und Wassereis durch das JWST haben die Forscher um Peißker auch festgestellt, dass IRS13 eine turbulente Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass IRS13 durch Reibung mit dem interstellaren Medium, Kollisionen mit anderen Sternhaufen oder interne Prozesse in Richtung des supermassereichen schwarzen Lochs wanderte. Ab einer gewissen Entfernung wurde der Sternhaufen dann von der Gravitation des schwarzen Lochs eingefangen. Bei diesem Prozess könnte sich an der Spitze des Sternhaufens eine Bugstoßwelle aus dem Staub gebildet haben, der den Haufen umgibt – ähnlich wie bei der Spitze eines Schiffs im Wasser. Die damit verbundene Dichtezunahme des Staubs regte daraufhin weitere Sternentstehung an. Dies ist eine Erklärung, warum diese jungen Sterne vor allem in der Spitze des Sternhaufens zu finden sind.
„Die Analyse von IRS13 sowie die damit einhergehende Interpretation des Sternhaufens ist der erster Versuch, ein Jahrzehnte altes Rätsel über die unerwartet jungen Sterne im galaktischen Zentrum zu lüften“, so Peißker. „Denn neben IRS13 gibt es einen Sternhaufen, den sogenannten S-Cluster, der sich noch näher am schwarzen Loch befindet und ebenfalls aus jungen Sternen besteht. Sie sind ebenfalls deutlich jünger als es nach akzeptierten Theorien möglich wäre.“ Die gewonnen Erkenntnisse über IRS13 bieten in weiterer Forschungsarbeit die Gelegenheit, eine Verbindung zwischen der direkten Umgebung des schwarzen Lochs und Regionen in mehreren Lichtjahren Entfernung herzustellen.
Michal Zajaček, Zweitautor der Studie und Wissenschaftler an der Masaryk-Universität in Brünn (Tschechien), fügt hinzu: „Der Sternhaufen IRS13 scheint der Schlüssel zu sein, um den Ursprung der dichten Sternpopulation im Zentrum unserer Galaxie zu enträtseln. Wir haben umfangreiche Beweise dafür gesammelt, dass sehr junge Sterne in der Reichweite des supermassereichen schwarzen Lochs in Sternenhaufen wie IRS13 entstanden sein könnten. Dies ist auch das erste Mal, dass wir Sternpopulationen unterschiedlichen Alters – heiße Hauptreihensterne und noch junge entstehende Sterne – in dem Haufen so nahe am Zentrum der Milchstraße unterscheiden können.“
U. Köln / DE