Kalter Elektronenstrahl treibt ultrakompakten Röntgenlaser an
Auf dem Weg zu ultrakompakten, ultrahellen X-FELs im universitären Labormaßstab.
Auf der ganzen Welt suchen Forscher nach neuen Ansätzen zur Miniaturisierung von Röntgenlasern auf der Grundlage von Freien-Elektronen-Lasern. Sie sollen die Technik für die Anwendung kostengünstiger und leichter zugänglich machen und darüber hinaus noch neue Einsatzbereiche ermöglichen. Jetzt hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Bernhard Hidding von der University of Strathclyde in Großbritannien – der seit Anfang des Jahres an der Uni Düsseldorf tätig ist – einen Durchbruch erzielt. Die Ergebnisse des Teams zeigen, dass ein Plasma-Wakefield-Beschleuniger für einen kompakten X-FEL ein sehr vielversprechender Ansatz ist.
Der vorgeschlagene Aufbau nutzt eine fortschrittliche Methode zur Injektion der Elektronen in den eigentlichen Beschleuniger, eine Plasma-Photokathode. Diese Photokathode kann Elektronen mit geringer Impulsverteilung erzeugen, welche sich zu kalten Elektronenstrahlen bündeln. Diese Elektronenstrahlen sind 100.000 Mal heller als in den modernsten Injektoren. Das Beschleunigungsfeld von einigen Dutzend oder Hunderten von Gigavolt pro Meter in einem Plasma-Wakefield-Beschleuniger ermöglicht einen Beschleuniger von wenigen Zentimetern Größe – im Vergleich zu herkömmlichen Beschleunigern, die mehrere Kilometer messen können. Das Team hat sich auch mit der Frage befasst, wie die ultrahellen Elektronenstrahlen aus der Plasma-Photokathode extrahiert, transportiert, isoliert und in den „Undulator“ des X-FEL ohne Ladungs- und Qualitätsverluste eingespeist werden können.
Im Undulator erzeugt der fokussierte Elektronenstrahl leistungsstarke kohärente Photonenpulse im Wellenlängenbereich von Ångström mit einer Pulsdauer im Attosekundenbereich. Das gesamte System ist nur wenige Dutzend Meter lang, verglichen mit den sehr langen aktuellen X-FEL-Maschinen. Die Wissenschaftler glauben, dass ihr Verfahren das Tor zur nächsten Generation ultrakompakter X-FELs sein können.
„Die Aussichten auf einen ultrakompakten X-FEL sind vielversprechend. Unsere Ergebnisse sind wichtige erste Meilensteine, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, um den Ansatz experimentell umzusetzen“, betont Fahim Habib, von der University of Strathclyde. Erste experimentelle Beweise für die Plasma-Photokathoden-Injektion in Plasma-Wakefield-Beschleunigern wurden am SLAC-Laboratorium in den USA erbracht. Das jetzt beginnende erweiterte Programm am SLAC zielt darauf ab, den nächsten Sprung in der Qualität und Stabilität des Elektronenstrahls zu machen.
Parallel zu den Arbeiten in den USA läuft ein europäisches Plasmabeschleunigerprogramm. An der Uni Düsseldorf beginnt das Team von Hidding mit der programmatischen Entwicklung der hybriden Plasma-Wakefield-Beschleunigung, bei der der Elektronenstrahl, der die Plasma-Photokathode antreibt, aus einem kompakten lasergetriebene Plasma-Wakefield-Beschleuniger stammt. Dafür wird das Hochleistungslasersystem ARCTURUS genutzt.
Die Vision der Forscher ist, dass diese Plattform den Weg zu ultrakompakten, ultrahellen X-FELs im universitären Labormaßstab eröffnet. Ein solches System könnte als grundlegende Leuchtturm-Infrastruktur für den Einsatz in den Natur-, Material- und Biowissenschaften und für die Industrie genutzt werden. So könnte in Zukunft die X-FEL-Technologie einer wesentlich größeren Zahl an Forschern zeitnah zur Verfügung gestellt werden.
„Wir sind in der glücklichen Lage, dass uns die Uni Düsseldorf ermöglicht, systematisch auf dieses große Ziel hinzuarbeiten und das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: die lasergesteuerte Elektronenstrahlproduktion und die Plasma-Photokathoden“, erklärt Hidding. „Die Fähigkeit, gleichzeitig und synchronisiert 100.000-mal hellere Elektronenstrahlen zu erzeugen, könnte einen transformativen Einfluss auf die Photonenforschung und sogar auf bisher unmögliche Experimente in der Grundlagenphysik haben." Es ist zu erwarten, dass ultrakompakte X-FELs eine Menge an neuen Anwendungen hervorbringen.
HHU Düsseldorf / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. F. Habib et al.: Attosecond-Angstrom free-electron-laser towards the cold beam limit, Nat. Commun. 14, 1054 (2023); DOI: 10.1038/s41467-023-36592-z - Plasmas, Dept. of Physics, University of Strathclyde, Glasgow, Großbritannien
- Laser- und Plasmaphysik, Mathematisch-naturwissenschaftliche Fklt., Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf