27.01.2009

Kein Dinosaurier, sondern höchst lebendig

Das Programm der Sonderforschungsbereiche ist 40 Jahre jung geworden. Von Konrad Samwer und Klaus Wehrberger



Physik Journal - Das Programm der Sonderforschungsbereiche ist 40 Jahre jung geworden. Von Konrad Samwer und Klaus Wehrberger

Aus der deutschen Förderlandschaft ist es nicht mehr wegzudenken, und international werden wir darum beneidet: das Förderprogramm der Sonderforschungsbereiche (SFB), das 2008 seinen 40. Geburtstag feiern konnte. Seit dem 1. Januar 2009 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit jährlich etwa 500 Millionen Euro 250 SFB, darunter 37 in der Physik.) Während der Anteil der Physik in den ersten 20 Jahren mit rund 10 Prozent ihrem Anteil an der Gesamtförderung der DFG entsprach, liegt er seit mehr als 10 Jahren mit etwa 15 Prozent deutlich darüber. Natürlich hat das Fach Physik auch viele Anteile in SFB mit Schwerpunkt in anderen Fachgebieten und umgekehrt, denn die gemeinsame Forschung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachgebiete an einem selbst gewählten, langfristig tragfähigen und spannenden Thema ist gerade ein wesentliches Charakteristikum von SFB. Ihr Erfolg zeigt sich auch darin, dass mehrere Nobelpreisträger der letzten Jahre in ihren Anfangsjahren im Rahmen von SFB gefördert wurden.

Beginnend mit sehr breiten Förderthemen hat das Programm in den vier Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Geblieben ist dabei der Wunsch nach Strukturbildung am Ort, wobei in vielen SFB außeruniversitäre Einrichtungen unersetzliche Partner von Hochschulen sind. Aufgrund der Differenzierung in der Wissenschaft sind allerdings die Themen deutlich spezieller geworden. Das Modell des SFB/Transregio erlaubt es den besten Gruppen an zwei bis drei Standorten seit 1999, zu einem Thema zusammenzufinden. Die Physik hat die Neuerungen und Anpassungen an das politische und wissenschaftliche Umfeld - manchmal murrend, aber meist voranschreitend - glänzend umgesetzt. So ist die Physik in 13 von 44 SFB/Transregios besonders stark vertreten. Nur die dem Transfer gewidmeten SFB-Teilprojekte, die seit 1996 das gemeinsame Forschen mit Partnern in der Industrie ermöglichen, nutzt die Physik leider wenig. Hier könnte die DPG ihre Industriekontakte nutzen und mit einer Offensive die Partnersuche unterstützen.

Entgegen mancher Kritik ist das SFB-Programm kein Dinosaurier, sondern höchst lebendig. Von den Anforderungen der Wissenschaft getrieben, hat sich sein Wandel in den letzten Jahren deutlich beschleunigt. So dauert die Förderperiode seit 2002 vier statt zuvor drei Jahre, und pauschale Mittel erlauben es, flexibler im jeweiligen SFB auf personelle Änderungen, neue Erkenntnisse und Methoden zu reagieren. Angesichts dieser Sicherheit und Flexibilität müssen die SFB aber auch mutig genug sein, um unter dem Dach des Verbundes rasch auf neue Ideen zu reagieren und riskante Vorhaben zu ermutigen. Wenn also immer alles gelingt, hat der SFB etwas falsch gemacht!

Wichtig ist auch die Förderung der Öffentlichkeitsarbeit seit 2006, um die herausragende Forschung, die in den SFB geleistet wird, den Steuerzahlern näher zu bringen. Hier hat die Physik auch dank der DPG ("Highlights der Physik" etc.) viel geleistet und steht bundesweit hervorragend da. Die Integration der SFB-Nachwuchsgruppen ins Emmy-Noether-Programm (seit 2007), die Möglichkeit von integrierten Graduiertenkollegs (seit 2007), Teilprojekte zur Informationsinfrastruktur und pauschale Mittel, um die Gleichstellung zu fördern (seit 2008), sind weitere Schritte, die die Dynamik des Programms kennzeichnen. Dieses lebt aber immer von der Fähigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Eigennutz ein Stück hinter das Gemeinwohl zurückzustellen, sich in eine Gemeinschaft einzufügen und dort fruchtbare Beiträge zu leisten. Dies hat die Physik seit Beginn des Programms durchaus beispielhaft vorgelebt. Das sehen auch die anderen Fächer so.

Für eine gesunde ausgewogene Weiterentwicklung des Förderspektrums darf sich die Aufmerksamkeit der Hochschulleitungen aber nicht einseitig auf die großen Instrumente verengen. So wichtig die SFB für die Profilbildung auch sein mögen, der "Heiligenschein", den ihnen die Hochschulleitungen oft verleihen, ist sicher nicht angemessen. Daher war es der DFG auch sehr wichtig, dass die Universitäten die Programmpauschale in Höhe von 20 Prozent für jede Art von DFG-Projekt erhalten. Eine ausreichend ausgestattete Einzelförderung, sprich das Normalverfahren, steht denn auch quantitativ nach wie vor im Zentrum der Forschungsförderung durch die DFG. Das ermöglicht es einzelnen Wissenschaftlern oder einem kleinen Team, rasch eine Idee umzusetzen. Für alle DFG-Projekte, auch SFB und Exzellenzcluster, gilt, dass die Wissenschaft die Themen vorschlägt und die Entscheidungen allein wissenschaftsgeleitet sind. Das Gesamtsystem, das nur funktionieren kann, wenn die Länder die Universitäten gut ausstatten, bedarf all dieser Förderinstrumente.




Meinung von Prof. Dr. Konrad Samwer (links), Physikprofessor an der Universität Göttingen und Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und Dr. Klaus Wehrberger, Gruppenleiter bei der DFG für Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren und Exzellenzcluster.


Quelle: Physik Journal, Februar 2009, S. 3


Weitere Infos:

  • Informationen zum Programm sowie das im September 2008 erschienene Jubiläums-Sonderheft der duz (Deutsche Universitätszeitung) unter www.dfg.de

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