Kein Limit für erneuerbare Energien
Debatte über Zuverlässigkeit der Energieversorgung.
Gibt es ausreichend Platz für Windkraft- und Solaranlagen, um den gesamten Energiebedarf damit zu decken? Was passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Werden erneuerbare Energien das Stromnetz destabilisieren und regelmäßig zu Stromausfällen beitragen? Das sind nur einige der Zweifel, die häufig gegen die Energiewende angeführt werden, durchaus auch im wissenschaftlichen Diskurs. So stellten im vergangenen Jahr Forscher aus Australien um Benjamin Heard nicht nur die technische Machbarkeit einer Energieversorgung mit hundert Prozent erneuerbaren Energien in Frage, sondern stellten auch die Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit vieler Energiesystemforscher in Frage, die ein solches Szenario für möglich halten. In Folge wurde das Thema von zahlreichen Medien und Blogs aufgegriffen.
Abb.: Kein Wind, kein Strom? Ein Windpark in Nordamerika. (Bild: USDOE)
Jetzt haben Energiesystem-Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie, des südafrikanischen Council for Scientific and Industrial Research, der Lappeenranta University of Technology, der Delft University of Technology und der Aalborg University Hunderte von Studien aus der wissenschaftlichen Literatur analysiert und zusammengeführt, um jedes von Heard und seinen Kollegen genannte Argument systematisch zu widerlegen. Sie zeigen, dass es weder fundamentale technische noch ökonomische Barrieren auf dem Weg zu einer hundertprozentig erneuerbaren Zukunft gibt.
„Während einige der vom Heard-Papier aufgeworfenen Fragestellungen durchaus relevant sind, ist es wichtig festzuhalten, dass es für alle Punkte Lösungen auf Basis heute verfügbarer Technologien gibt", sagt Tom Brown. Brown leitet eine Forschungsgruppe am Institut für Automation und angewandte Informatik am KIT, in der das Design der Energiesysteme der Zukunft modelliert wird. „Darüber hinaus sind diese technischen Lösungen absolut erschwinglich, insbesondere angesichts der durch die sinkenden Kosten für Wind- und Solarenergie freiwerdenden Einsparungen bei der Primärenergieerzeugung“, sagt Christian Breyer von der Lappeenranta University of Technology.
Die „kalte Dunkelflaute“ – längere windstille Phasen im Winter bei gleichzeitig hohem kältebedingten Strombedarf – kann laut Brown durch Importe, Wasserkraft, Biogas und -masse, Batterien und andere Speicher überbrückt werden. Sollten all diese auf Zuruf abrufbaren Stromquellen nicht ausreichen, so kann im schlimmsten Fall mit überschüssigem Wind- und Sonnenstrom Wasserstoff oder synthetisches Gas erzeugt werden, welches dann bei Bedarf rückverstromt wird.
Zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität in einem von Wind- und Sonnenstrom dominierten System gibt es eine Reihe von technischen Lösungen, von rotierenden Stabilisatoren bis hin zu neueren elektronischen Lösungen. Die Wissenschaftler haben Best-
„Es gibt einige hartnäckige Mythen, dass hundert Prozent erneuerbare Energiesysteme technisch nicht möglich seien“, sagt Brian Vad Mathiesen von der Universität Aalborg. „Unser Beitrag behandelt diese Mythen, einen nach dem anderen, unter Verwendung des neuesten Stands der Forschung. Wir sollten nun zu den eigentlich wichtigen Themen zurückkehren: der Modellierung der kostengünstigsten Erneuerbaren-
U. Aalborg / RK