18.05.2018

Kein Limit für erneuerbare Energien

Debatte über Zuverlässigkeit der Energie­ver­sor­gung.

Gibt es ausreichend Platz für Windkraft- und Solaranlagen, um den gesamten Energie­bedarf damit zu decken? Was passiert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Werden erneuer­bare Energien das Stromnetz destabi­li­sieren und regel­mäßig zu Strom­aus­fällen bei­tragen? Das sind nur einige der Zweifel, die häufig gegen die Energie­wende ange­führt werden, durch­aus auch im wissen­schaft­lichen Diskurs. So stellten im ver­gan­genen Jahr Forscher aus Austra­lien um Benjamin Heard nicht nur die tech­nische Mach­bar­keit einer Energie­ver­sor­gung mit hundert Prozent erneuer­baren Energien in Frage, sondern stellten auch die Glaub­würdig­keit der wissen­schaft­lichen Arbeit vieler Energie­system­forscher in Frage, die ein solches Szenario für möglich halten. In Folge wurde das Thema von zahl­reichen Medien und Blogs auf­ge­griffen.

Abb.: Kein Wind, kein Strom? Ein Wind­park in Nord­amerika. (Bild: USDOE)

Jetzt haben Energiesystem-Forscher des Karlsruher Instituts für Techno­logie, des süd­afrika­nischen Council for Scien­tific and Indus­trial Research, der Lappeen­ranta Univer­sity of Techno­logy, der Delft Univer­sity of Techno­logy und der Aal­borg Univer­sity Hunderte von Studien aus der wissen­schaft­lichen Lite­ratur analy­siert und zusammen­geführt, um jedes von Heard und seinen Kollegen genannte Argu­ment syste­ma­tisch zu wider­legen. Sie zeigen, dass es weder funda­mentale tech­nische noch öko­no­mische Barrieren auf dem Weg zu einer hundert­pro­zentig erneuer­baren Zukunft gibt.

„Während einige der vom Heard-Papier aufgeworfenen Frage­stel­lungen durch­aus rele­vant sind, ist es wichtig fest­zu­halten, dass es für alle Punkte Lösungen auf Basis heute ver­füg­barer Techno­logien gibt", sagt Tom Brown. Brown leitet eine Forschungs­gruppe am Institut für Auto­ma­tion und ange­wandte Infor­matik am KIT, in der das Design der Energie­systeme der Zukunft model­liert wird. „Darüber hinaus sind diese tech­nischen Lösungen absolut erschwing­lich, insbe­son­dere ange­sichts der durch die sinken­den Kosten für Wind- und Solar­energie frei­wer­denden Ein­spa­rungen bei der Primär­energie­erzeu­gung“, sagt Christian Breyer von der Lappeen­ranta Univer­sity of Techno­logy.

Die „kalte Dunkelflaute“ – längere windstille Phasen im Winter bei gleich­zeitig hohem kälte­bedingten Strom­bedarf – kann laut Brown durch Importe, Wasser­kraft, Biogas und -masse, Batte­rien und andere Speicher über­brückt werden. Sollten all diese auf Zuruf abruf­baren Strom­quellen nicht aus­reichen, so kann im schlimm­sten Fall mit über­schüs­sigem Wind- und Sonnen­strom Wasser­stoff oder synthe­tisches Gas erzeugt werden, welches dann bei Bedarf rück­ver­stromt wird.

Zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität in einem von Wind- und Sonnen­strom domi­nierten System gibt es eine Reihe von tech­nischen Lösungen, von rotie­renden Stabili­sa­toren bis hin zu neueren elek­tro­nischen Lösungen. Die Wissen­schaftler haben Best-Practice-Beispiele hier­für von Netz­betrei­bern aus der ganzen Welt, von Däne­mark bis Tasma­nien, gesammelt.

„Es gibt einige hartnäckige Mythen, dass hundert Prozent erneuer­bare Energie­systeme tech­nisch nicht möglich seien“, sagt Brian Vad Mathiesen von der Univer­sität Aal­borg. „Unser Beitrag behandelt diese Mythen, einen nach dem anderen, unter Ver­wen­dung des neuesten Stands der Forschung. Wir sollten nun zu den eigent­lich wich­tigen Themen zurück­kehren: der Model­lie­rung der kosten­güns­tig­sten Erneuer­baren-Ent­wick­lungs­pfade, um fossile Brenn­stoffe aus unserem Energie­system zu elimi­nieren, damit wir die Heraus­forde­rungen für Klima und Gesund­heit bewältigen können.“

U. Aalborg / RK

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