18.11.2024

Keramik mit Feingefühl

Neues Sensormaterial auf der Basis von Keramik-Partikeln.

Frank Clemens entwickelt gemeinsam mit seinem Team im High-Performance Ceramics Labor der Empa weiche Sensor­materialien auf der Basis von Keramik. Solche Sensoren spüren beispielsweise Temperatur, Dehnung, Druck oder Feuchtigkeit, was sie für den Einsatz in der Medizin, aber auch im Bereich der „Soft Robotics“ interessant macht. Unter Keramik verstehen Material­forschende wie Clemens einen anorganischen nicht­metallischen Werkstoff, der in einem Sinter-Prozess unter hohen Temperaturen aus einer Ansammlung von losen Partikeln hergestellt wird. Die Zusammen­setzung der Keramik kann variieren – und damit verändern sich auch deren Eigenschaften. Die Forschenden arbeiten mit Materialein wie Kaliumnatrium­niobat und Zinkoxid, aber auch mit Kohlenstoff­partikeln.

Abb.: Schweizer Forschende entwickeln weiche und intelligente Sensormaterialien...
Abb.: Schweizer Forschende entwickeln weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln.
Quelle: Empa

Um daraus weiche Sensoren herzustellen, betten die Forschenden sie in dehnbare Kunststoffe ein. „Wir arbeiten mit hochgefüllten Systemen“, so Clemens. „Wir nehmen eine Matrix aus einem thermo­plastischen Kunststoff und füllen sie mit so vielen Keramikpartikeln, wie nur möglich ist, ohne die Dehnbarkeit der Matrix zu beeinträchtigen.“ Wird diese hochgefüllte Matrix dann gedehnt, komprimiert oder Temperatur­schwankungen ausgesetzt, verändert sich der Abstand zwischen den Keramikpartikeln und damit die elektrische Leitfähigkeit des Sensors. Dabei muss nicht die gesamte Matrix mit Keramik gefüllt sein. Mittels 3D-Druck können die Forschenden die Keramik­sensoren auch als eine Art Nerven­bahnen in flexible Bauteile einbetten.

Trivial ist die Herstellung von weichen Keramik­sensoren allerdings nicht. In der Regel sind weiche Sensoren auf unterschiedliche Umwelt­einflüsse zugleich empfindlich, etwa auf Temperatur, Dehnung und Feuchtigkeit. „Wenn man sie in der Praxis einsetzen will, sollte man aber wissen, was man misst“, erklärt Clemens. Seiner Forschungs­gruppe ist es gelungen, weiche Sensoren herzustellen, die sehr selektiv nur auf Druck oder nur auf Temperatur reagieren. Diese Sensoren integrierten die Forschenden in eine pro­thetische Hand. Die Prothese spürt die Beugung ihrer Finger und merkt, wenn sie eine heiße Oberfläche anfasst. Solche Feinfühligkeit wäre sowohl für Roboter-Greif­werkzeuge als auch für Prothesen für den Menschen von Vorteil.

Noch einen Schritt weiter ging das Team bei der Entwicklung einer weichen Roboterhaut. Ähnlich wie menschliche Haut reagiert die mehr­schichtige Kunststoff­haut auf Berührungen und Temperatur­unterschiede. Um die komplexen Daten auszuwerten, entwickelten die Forschenden ein KI-Modell und trainierten es anhand von Daten aus rund 4500 Messungen. Auch das erinnert an die menschliche Wahrnehmung, denn die Nerven­impulse aus unserer Haut werden ebenfalls im Gehirn ausgewertet.

In ihrem neuesten Projekt konnten die Forschenden die Keramik­sensoren mit künst­lichen Muskeln kombinieren. Gemeinsam mit Forschenden der ETH Zürich und der Universität Tokyo haben sie einen Bio-Hybrid-Roboter entwickelt, der seinen Kontraktions­zustand mit Hilfe eines weichen, biokompatiblen, gewebe­integrierten piezoresistiven Sensors erkennt.  Das Ziel, sagt Frank Clemens, ist die sichere und harmonische Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. „Heutige Roboter­systeme sind groß, klobig und sehr stark. Sie können für den Menschen gefährlich werden“, sagt er. Sollen wir unsere Arbeits­plätze in Zukunft vermehrt mit Robotern teilen, sollten diese schnell und feinfühlig auf Berührungen reagieren. „Wenn man versehentlich einen anderen Menschen berührt, zieht man sich automatisch sofort zurück“, sagt Clemens. „Wir wollen Robotern denselben Reflex verleihen.“ 

Empa / JOL

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