19.07.2021

Klimakrise: Die Zeit drängt

Die Häufung extremer Wettereignisse wie Hitzewellen und Starkregen belegt den dringenden Handlungsbedarf in der Klimapolitik.

Die Anzeichen des Klimanotstands häufen sich: Im Jahr 2020 waren viele Regionen von noch nie dagewesenen Extrem­ereignissen betroffen, wie etwa die Hitzewellen und Waldbrände in Australien, Sibirien und Kalifornien. Eine Studie über die Hitzephase in Sibirien letztes Jahr zeigte, dass dieses Ereignis ohne menschlichen Einfluss auf das Klima fast unmöglich war. Eine neue Studie hat kürzlich demonstriert, dass ein Drittel der Todes­fälle während Hitze­wellen auf die vom Menschen verursachte Erwärmung zurückzuführen ist.

 

Der Zusammenhang zwischen Hitzewellen und CO2-Emissionen ist bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass bereits ein Anstieg der globalen Erwärmung um etwa 0,5 °C zu einem deutlichen Anstieg der Extrem­temperaturen in allen Regionen der Welt führt. Selbst eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C wäre mit erheblichen regionalen Risiken für viele Extremereignisse verbunden.

Die COVID-Krise hat zwar zu einem vorübergehenden Rückgang der CO2-Emissionen – vor allem im Verkehrssektor – geführt, dieser blieb jedoch sehr begrenzt und betrug 2020 durchschnittlich nur etwa 7 %. Da die einzige Lösung, um die globale Erwärmung zu stoppen, darin besteht, ein CO2-neutrales Budget und damit Emissionen nahe Null zu erreichen, sind wir noch sehr weit von diesem Ziel entfernt. Das zeigt, welch gewaltige Aufgabe wir noch zu bewältigen haben, wenn wir eine Chance behalten wollen, die Ziele des Pariser Abkommens von 2015 zu erreichen. Dieses soll die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C, begrenzen. Aber schon jetzt haben wir eine globale Erwärmung von etwa 1,2 °C erreicht.

Der Artikel von Frank Flechtner, Eva Börgens und Ingo Sasgen auf Seite 168 zeigt besorgniserregende Anzeichen des Klimawandels, gemessen mit den GRACE-Satelliten. Ein Beispiel ist die seit 2018 anhaltende Dürre in Mitteleuropa. Die Messungen zeigen außerdem, dass die Dürre­verhältnisse 2015 in Mitteleuropa mit einem Landwassermangel von 111 Gigatonnen deutlich ausgeprägter waren als im „Jahrhundertsommer“ 2003 mit 55 Gigatonnen.

Die GRACE-Satelliten messen auch den Rückgang der Eisschilde. Mit diesen Daten lässt sich belegen, dass der grönländische Eisschild seit 2003 etwa ein Fünftel zum globalen mittleren Meeresspiegelanstieg beigetragen hat. Außerdem wurde 2019 ein Rekord-Eisverlust von 532 ± 58 Gigatonnen gemessen, der den Meeres­spiegel­beitrag des Eisschilds im Vergleich zum Langzeit­mittel verdoppelte. Dies zeigt den Nutzen von neuen Satelliten­daten für Klima­monitoring – aber auch, wie schnell die Folgen der von Menschen verursachten Klima­erhitzung sich auswirken.

Matthias Huss stellt ab Seite 176 das voranschreitende Schmelzen der Gletscher mit zunehmender globaler Erwärmung vor. Anhand physikalischer Modelle lassen sich Projektionen für die kommenden Jahrzehnte berechnen. Ohne Klimaschutz würde der Aletschgletscher bis zum Ende dieses Jahrhunderts zwischen 60 und 95 % seines heutigen Volumens verlieren. Klimaschutz, der konsistent mit dem Ziel des 2015 Pariser Abkommen wäre, würde hingegen das Eisschmelzen in Grenzen halten, auch wenn eine weitere Abnahme sich nicht vermeiden lässt. Selbst wenn sich die Temperaturen ab heute nicht mehr ändern würden, würde sich die Gletscherzunge um über sechs Kilometer zurückziehen.

Die wissenschaftliche Evidenz zeigt: Es geht lange nicht mehr darum, den Klimawandel zu vermeiden, sondern dessen schlimmste Folgen zu begrenzen. Der erste Teil des 6. Berichts des Weltklimarats IPCC, an dem ich als koordinierende Leitautorin beteiligt bin, wird im August 2021 veröffentlicht. Unser Kapitel fasst die wissenschaftliche Literatur zu den Änderungen in Klima­extremen zusammen. Erfreuliche Nachrichten sollten nicht erwartet werden. Trotzdem – und vielleicht deswegen: Der Weckruf scheint langsam zu wirken, aber es ist bereits der letzte Moment, um noch zu handeln. Deutliche Reduktionen der CO2-Emissionen sind in den kommenden Jahren unumgänglich, um die Ziele des Pariser Abkommen nicht völlig zu verfehlen.

Sonia Seneviratne, ETH Zürich

 

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