27.06.2019

Körber-Preis für Physiker Bernhard Schölkopf

Deutscher Pionier der künstlichen Intelligenz hat zentrale Methoden für das maschinelle Lernen etabliert.

Den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Euro­päische Wissen­schaft 2019 erhält der deutsche Physiker, Mathematiker und Informatiker Bernhard Schölkopf. Er hat mathematische Verfahren entwickelt, die maßgeblich dazu beitrugen, der künstlichen Intelligenz zu ihren jüngsten Höhenflügen zu verhelfen. Weltweites Renommee erlangte Schölkopf mit Support-Vektor-Maschinen (SVM). Dank dieser raffinierten Algorithmen können Computer hoch­komplizierte KI-Berechnungen schnell und präzise erledigen.

Abb.: Der deutsche Physiker, Mathe­matiker und Infor­matiker Bernhard...
Abb.: Der deutsche Physiker, Mathe­matiker und Infor­matiker Bernhard Schölkopf erhält den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Euro­päische Wissen­schaft. (Bild: F. Reinhold, Körber-Stiftung)

Bernhard Schölkopf (51) ist ein Pionier dieser neuen industriellen Revolution, die auf Information basiert. Nach dem Studium der Physik, Mathematik und Philosophie in Tübingen und London ging der gebürtige Stuttgarter mit einem Stipendium an die amerika­nischen Bell Labs, wo sein späterer Doktor­vater Vladimir Vapnik gerade anfing, an SVMs zu forschen. 1997 promovierte Schölkopf an der TU Berlin in Informatik. Bereits im Vapnik-Team trug er entscheidend dazu bei, die SVM-Technologie zur Anwendungsreife zu entwickeln. Nach Tätigkeiten in Cambridge, England, und einem New Yorker Biotech-Startup wurde Schölkopf 2001 Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. 2011 war er einer der Gründungs­direktoren des MPI für intelligente Systeme in Tübingen.

„Kl ist im Spiel, wenn das Smartphone abgespeicherte Fotos automatisch nach Gesichtern und Themen wie Urlaub gruppiert“, erklärt Schölkopf, „oder Texte von einer Sprache in eine andere übersetzt.“ KI erlebt zurzeit einen weltweiten Boom, nicht zuletzt wegen ihrer wachsenden wirt­schaftlichen Bedeutung. USA und China investieren Milliarden in diese Techno­logie, die weltweit das Arbeitsleben grundlegend verändern dürfte. Bereits vor der Jahrtausend­wende sind intelligente Roboter in großem Stil in die Fabriken eingezogen, etwa in der Autoindustrie. Künftig werden intelligente Systeme auch zunehmend Routine­arbeiten in Büros übernehmen.

Die von Bernhard Schölkopf mitentwickelten Support-Vektor-Maschinen ähneln dem Gehirn nachempfundenen neuronalen Netzen, liefern jedoch bei manchen Aufgaben präzisere Ergebnisse. Darüber hinaus basieren sie auf soliden mathe­matischen Grundlagen, was ihre Arbeitsweise trans­parenter macht. SVM müssen anfangs trainiert werden, wie das menschliche Gehirn beim Lernen. Ihre Besonderheit liegt darin, dass ihre Algorithmen saubere Klassi­fizierungen in mathematischen Räumen höherer Dimension vornehmen, der Computer dies jedoch mit vergleichsweise einfachen und schnellen Berechnungen erledigen kann. Erste SVM-Systeme aus den 1990er Jahren konnten handgeschriebene Ziffern auf Briefen fast so gut erkennen wie Menschen und waren besser als alle kon­kurrierenden Systeme. Sie gaben der Informatik auch wegen ihres systema­tischen mathematischen Ansatzes einen deutlichen Schub. Schölkopf ist heute der am häufigsten zitierte deutsche Informatiker und zählt gemäß dem Forschungs­magazin „Science“ zu den zehn einfluss­reichsten Computer­wissenschaftlern der Welt.

Aktuell erforscht das Schölkopf-Team am MPI Tübingen Algorithmen, die aus Daten auch kausale Zusammenhänge erkennen können. Kausale Inferenz nennt sich diese viel­versprechende neue Forschungs­richtung. Ziel ist unter anderem, KI-Systeme robuster gegen Störeinflüsse zu machen. „Wenn in einer geschlossenen Ortschaft ein Tempo-30-Schild so überklebt wurde, dass es wie ein Tempo-120-Schild aussieht, dann muss das KI-System eines selbst­fahrenden Autos aus dem Kontext erschließen können, dass dieses Schild zu ignorieren ist“, so Bernhard Schölkopf. 

Ein weiteres Anliegen Schölkopfs ist es, Deutschland in der harten internationalen KI-Konkurrenz zu einer Spitzenstellung zu verhelfen. Er ist Mitgründer des weltweit renommierten „Cyber Valley“ in der Region Stuttgart-Tübingen – eines vom Land Baden- Württemberg geförderten Kompetenz­zentrums, das auch führende amerikanische Firmen einbinden konnte. Im Rahmen des geplanten ELLIS-Programms (European Laboratory for Learning and Intelligent Systems) will Schölkopf „führende euro­päische Standorte besser miteinander vernetzen, gemeinsame Programme aufsetzen und Doktoranden ausbilden. Junge Spitzen­forscher sollten nicht in die USA gehen müssen, um auf dem höchsten Niveau zu arbeiten.“ Wichtig sei weiterhin eine noch umfangreichere staatliche KI-Förderung. Die Mittel des Körber-Preises will Schölkopf unter anderem in seinem Fachgebiet Kausale Inferenz und für Workshops zur Förderung des ELLIS-Projekts verwenden.

Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2019 wird Bernhard Schölkopf am 13. September im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses überreicht. Aus Anlass ihres 60-jährigen Bestehens erhöht die Körber-Stiftung die Dotierung des Preises ab diesem Jahr auf eine Million Euro. Damit zählt der Körber-Preis zu den weltweit höchst­dotierten Forschungs­preisen. „Wir wollen ein Zeichen für die Anerkennung von Spitzenforschung in Europa setzen“, so Lothar Dittmer, Vorsitzender des Vorstands der Körber-Stiftung, „und mit unserer ebenfalls neuen Regelung, dass fünf Prozent der Preissumme für die Wissenschafts­kommunikation zu verwenden sind, dazu beitragen, dass diese Anerkennung auch in der Öffent­lichkeit wächst.“ Die Körber-Stiftung zeichnet mit dem Körber-Preis seit 1985 jedes Jahr einen wichtigen Durchbruch in den Physical oder den Life Sciences in Europa aus. Prämiert werden exzellente und innovative Forschungs­ansätze mit hohem Anwendungs­potenzial. Nach Verleihung des Körber-Preises erhielten bislang sechs Preis­trägerinnen und Preisträger den Nobelpreis.

Körber-Stiftung / JOL

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