Komplexes Ende der Dunkelheit
Nach neuen Analysen von Quasarspektren war die frühe Phase der Galaxienentstehung komplexer als bislang vermutet.
Komplexes Ende der Dunkelheit
Nach neuen Analysen von Quasarspektren war die frühe Phase der Galaxienentstehung komplexer als bislang vermutet.
Neue Analysen von Quasarspektren zeigen, dass die frühe Phase der Galaxienentstehung komplexer war als bislang vermutet. Schon lange bevor die ersten Quasare aufleuchteten, muss eine erste Sternengeneration den Wasserstoff im Kosmos ionisiert haben. Nach dem Tod dieser Sterne kühlte der Wasserstoff ab und wurde wieder neutral - nur um von den Quasaren erneut ionisiert zu werden.
380.000 Jahre nach dem Urknall wurde der Kosmos durchsichtig - das heiße Plasma was soweit abgekühlt, dass es zu elektrisch neutralem Wasserstoff und Helium rekombinierte. Zu dieser Zeit entstand auch die kosmische Hintergrundstrahlung, die heute auf eine Temperatur von 2,7 Kelvin abgekühlt ist.
Als später die ersten Quasare aufleuchteten, begann ihre Strahlung den Wasserstoff in ihrer Umgebung wieder zu ionisieren. Mit Lichtgeschwindigkeit breiteten sich diese Sphären ionisierter Materie um die Quasare aus, bis sie sich gegenseitig restlos überlappten - die Reionisation des Kosmos war abgeschlossen.
Die Absorptionslinien im Spektrum des Quasar SDSS J1148-5251 belegen, dass der Wasserstoff eine Milliarde Jahre nach dem Urknall zu einem großen Teil neutral war.
Für Quasare mit Rotverschiebungen größer als 6 können die Astronomen direkt in die Phase der Reionisation hineinblicken: Die zwischen den ionisierten Regionen liegenden Wolken aus neutralem Wasserstoff sind als "Lyman-Alpha-Wald" in den Spektren der Quasare zu erkennen. Aus solchen Beobachtungen konnten die Forscher ableiten, dass die Reionisation rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall abgeschlossen war.
Messungen der winzigen Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem Satelliten WMAP zeigten jedoch im vergangenen Jahr, dass der Kosmos bereits bei Rotverschiebungen von 10 bis 20, entsprechend einer Zeit von 200 bis 500 Millionen Jahren nach dem Urknall, ionisiert war. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? War vielleicht der Anteil an neutralem Wasserstoff vor der Ionisation durch die Quasare viel geringer als vermutet? Tatsächlich ergaben die bisherigen Messungen jenseits der "Lyman-Kante" nur einen Mindestanteil von einem Tausendstel - kein allzu starker Grenzwert.
Stuart Wyithe von der University of Melbourne und Abraham Loeb von der Harvard University haben nun die Spektren der beiden am weitesten entfernten Quasare SDSS J1030+0524 und SDSS J1148-5251 einer neuen sorgfältigen Analyse unterzogen. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass der Anteil an neutralem Wasserstoff vor dem Aufleuchten der Quasare bei mindestens einigen Zehnteln lag.
Damit sind die WMAP-Ergebnisse nur noch zu erklären, wenn es lange vor den Quasaren bereits eine erste Generation von supermassiven Sternen gab, die eine erste Reionisation des Kosmos ausgelöst haben. Die Strahlung dieser Sterne und ihre schon nach wenigen Millionen Jahren erfolgende Explosion hat dann die weitere Entstehung von Sternen für lange Zeit verhindert - und so zu einer Zwischenphase geführt, in der ein Großteil des Wasserstoffs wieder neutral werden konnte.
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originaveröffentlichung:
J. Stuart B. Wyithe und Abraham Loeb, A large neutral fraction of cosmic hydrogen a billion years after the Big Bang, Nature 427, 815 (2004).
http://arxiv.org/abs/astro-ph/0401188 (preprint) - WMAP:
http://map.gsfc.nasa.gov - Weitere Forschungsartikel auf pro-physik.de finden Sie in der Rubrik Forschung.
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