05.07.2022

Kontrolle über metallorganische Gerüste

Physiker entschlüsseln Zusammenspiel mit molekularen Maschinen.

Molekulare Maschinen steuern eine Vielzahl grundlegender Prozesse in der Natur. Eingebettet in eine zelluläre Umgebung, spielen sie eine zentrale Rolle beim intra- und inter­zellulären Transport von Molekülen sowie bei der Muskel­kontraktion von Menschen und Tieren. Für die Funktion des gesamten Organismus ist meist eine wohl­definierte Orien­tierung und Anordnung der molekularen Maschinen essenziell. Zum Beispiel ermöglicht die spezifische Einbettung von Motor­proteinen, welche eine Klasse von biomole­kularen Maschinen bilden, ein dynamisches Zusammenspiel der unzähligen Proteine. Dadurch wird die Bewegung auf molekularer Ebene verstärkt und über verschiedene Größen­ordnungen hinweg bis zur makro­skopischen Ebene übertragen.

Abb.: Illustration eines molekularen Shuttles (gelber Kreis), zusammen mit...
Abb.: Illustration eines molekularen Shuttles (gelber Kreis), zusammen mit seiner molekularen Struktur) und seiner Einbettung in die periodische Struktur. (Bild: Kolodzeiski & Amirjalayer)

Inspiriert von diesen biologischen Systemen, ist die Entwicklung von zell­artigen Materialien, basierend auf künstlichen mole­kularen Maschinen ein aktuelles Forschungs­feld. Um die molekulare Kooperativität dieser Maschinen für die Anwendung in der Material­wissenschaft oder der Medizin zu nutzen, ist ein detailliertes Verständnis sowohl der molekularen Einbettung in eine Matrix als auch der inter­molekularen Wechsel­wirkungen entscheidend. Elena Kolodzeiski und Saeed Amirjalayer vom Physikalischen Institut der West­fälischen Wilhelms-Universität Münster ist es erstmals gelungen, das dynamische Zusammenspiel einer Klasse von künstlichen molekularen Maschinen – den molekularen Shuttles – mithilfe von molekular-dynamischen Simu­lationen aufzudecken.

Molekulare Shuttles sind aus hantelförmigen und ringförmigen Molekülen aufgebaut, die durch mechanische Bindungen miteinander verknüpft sind. „Diese mechanische Verknüpfung auf mole­kularer Ebene führt dazu, dass sich der Ring entlang der Achse von einer Seite auf die andere bewegen kann. Diese gezielte Pendelbewegung wurde bereits genutzt, um mole­kulare Maschinen zu entwickeln“, erklärt Saeed Amirjalayer. Basierend hierauf arbeiten Wissen­schaftler weltweit an einer gezielten Nutzung dieser mole­kularen Maschinen in Funktions­materialien. Metall­organische Gerüst­verbindungen, welche modular aus organischen und anor­ganischen Bausteinen aufgebaut sind, erweisen sich als eine vielver­sprechende Matrix, um diese mechanisch verzahnten Moleküle in zell­artigen Strukturen einzubetten. Obwohl in den vergangenen Jahren eine Reihe dieser Systeme synthetisiert wurde, fehlt meist ein grund­legendes Verständnis der dynamischen Prozesse in diesen Materialien.

„Unsere Studie liefert einen detaillierten Einblick darin, wie die einge­betteten Maschinen funktionieren und zusammen­spielen. Gleich­zeitig konnten wir Parameter ableiten, die es ermöglichen, die Bewegungsart der molekularen Shuttles innerhalb der metallorganischen Gerüst­verbindungen zu variieren“, sagt Elena Kolodzeiski. Die gezielte Steuerung der Dynamik biete vielver­sprechende Möglichkeiten, um die Transport­eigenschaften von Molekülen in Membranen zu beeinflussen oder kata­lytische Prozesse abzustimmen. Die Forscher hoffen, dass ihre Simulationen die Grundlage für neuartige Materialien in der kata­lytischen und medi­zinischen Anwendung bilden.

U. Münster / JOL

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