02.09.2022

„Korkenziehen“ mit dem Flambierbrenner

Wie man eine Weinflasche mit einem Flambierbrenner thermodynamisch öffnet, erklärt ein Artikel in „Physik in unserer Zeit“.

Eine ungeöffnete Weinflasche hat zwischen ihrem festsitzenden Korken und dem Weinpegel immer ein Reservoir an Gas, das hauptsächlich aus Luft sowie etwas Wasser- und Alkoholdampf besteht. Wird an dieser Stelle der Flaschenhals von außen mit einem Flambier­brenner stark erwärmt, dann kann man nach zirka einer Minute tatsächlich erleben, wie sich der Korken aus dem Hals schiebt. Und das alles ohne Kraftaufwand! Natürlich bezahlen wir das mit der Energie aus dem Gas des Brenners. Aber warum gelingt das?

 

Abb.: Der Flambier­brenner als Weinflaschen­öffner.
Abb.: Der Flambier­brenner als Weinflaschen­öffner.

Eine naheliegende Vermutung ist die thermische Ausdehnung des eingeschlossenen Gases. Wie stark müsste das Gas erwärmt werden, um den Korken gegen die Reibungskraft herauszudrücken? Eine durchschnittliche Weinflasche hat einen ungefähr 4 cm langen Korken und darunter ein Gasreservoir von 2 cm Höhe. Der Innenradius am Flaschenhals von Standard­weinflaschen beträgt fast immer rund 1 cm. Um den Korken ganz herauszudrücken, muss sich das Gasvolumen also ungefähr verdreifachen. Welche Temperatur und welcher Druck sind dafür erforderlich?

Der Vorgang lässt sich in zwei Teilprozesse zerlegen, die wir für das reale Gas im Flaschenhals näherungsweise mit der idealen Gasgleichung, p·V / T = konst. beschreiben können. Der Korken setzt sich erst dann in Bewegung, wenn der Druck die Haftreibung zwischen Kork und Glas überwinden kann. In einer Serie von Vorversuchen konnten wir zeigen, dass die dafür erforderliche Kraft fast immer über 250 N liegt. Auf die Fläche des Korkens muss also eine Kraft  wirken. Damit ergibt sich ein mindestens nötiger Druck von rund 8 bar.

 

Abb.: Thermodynamischer Modell­prozess beim Korken­ziehen mit dem...
Abb.: Thermodynamischer Modell­prozess beim Korken­ziehen mit dem Flambier­brenner.

Dieser Wert entspricht dem Überdruck gegenüber dem atmosphärischen Druck (1 bar). Beim Verkorken einer Weinflasche entsteht zwar kurzzeitig ein Druck von etwa 3,5 bar, aber dieser gleicht sich schnell gegen den atmosphärischen Druck aus. Wir können also annehmen, dass der Druck im kalten Flaschenhals ungefähr 1 bar entspricht. Somit ist der neunfache Druck erforderlich, um den Korken überhaupt in Bewegung zu versetzen. Bis das schlagartig geschieht, bleibt das Gasvolumen im Flaschenhals konstant, und die Verdreifachung des Volumens wird für den isochoren ersten Teilprozess nicht benötigt. Für die Temperatur ergibt sich damit die neunfache Raumtemperatur, also 2382 °C!

Leider erreicht der Flambierbrenner nach Herstellerangaben „nur“ eine maximale Temperatur von 1300 °C. Die Ausdehnung des „trockenen“ Gasvolumens im Flaschenhals allein kann folglich nicht den Korken herausdrücken. Da dieses Experiment aber funktioniert, müssen wir unsere anfängliche Vermutung noch ergänzen.

Als zweiter Effekt liegt nun das Verdampfen des Weins an der Oberfläche nahe. Sieden unter erhöhtem Druck ist etwas, das uns vom Kochen mit dem Schnell­kochtopf bekannt ist. Der erreicht allerdings maximal das 1,8-fache des atmosphärischen Drucks, in der Weinflasche ist der erforderliche Druck mit rund 9 bar deutlich höher. Im Topf siedet Wasser dann bei 117 °C, im Flaschenhals sind es hier bereits 175 °C! Mit dem Flambier­brenner übertreffen wir diese Temperatur an der Pegeloberfläche im Flaschenhals bei Weitem, der Alkoholanteil von circa 10-14 Volumen­prozent siedet bei 9 bar bereits oberhalb von 130 °C. Keine Sorge: Dieser Vorgang ist zu schnell, um nennenswerte Mengen an Wein zu erhitzen, der Wein verliert also insgesamt nicht an Qualität.

Lutz Kasper; PH Schwäbisch Gmünd; Patrik Vogt, Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (ILF) Mainz / DE

 

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