06.10.2010

Kosmische Strahlung als Klimafaktor

Physiker untersuchen die Rolle der Sonne beim Klimawandel.

Physiker untersuchen die Rolle der Sonne beim Klimawandel.

Vor allem der Ausstoß von Kohlendioxid, verursacht durch die Menschen, ist für die globale Erwärmung verantwortlich – das ist die vorherrschende Meinung in der Debatte um den Klimawandel. Aber auch andere Faktoren wirken auf das Klima: Werner Weber vom Lehrstuhl für Theoretische Festkörperphysik der TU Dortmund untersucht, welche Rolle die Sonnenzyklen beim Klimawandel spielen. Anhand von langjährigen Daten zur Sonneneinstrahlung fand er starke Hinweise dafür, dass die Sonnenaktivität die Aerosolbildung in der Atmosphäre und damit die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche beeinflusst.

Dass die Sonnenaktivität einen Einfluss auf unser Klima hat, wird schon lange vermutet, nur ist bisher umstritten, wie hoch er ist. Eine Theorie lautet, dass der Klimawandel direkt mit der Sonnenabstrahlung zusammenhängt: Während eines meist elf Jahre dauernden Zyklus der Sonnenaktivität verändert die Sonne auch ihre mittlere Temperatur. Bei steigender Aktivität wird sie etwas heißer und strahlt mehr Licht ab. Da in den letzten 50 Jahren mehrere starke Sonnenzyklen auftraten, hat auch die Sonnenabstrahlung zugenommen. Dieser Beitrag allein kann aber den Klimawandel nicht erklären. Doch es gibt eine weitere indirekte Beeinflussung, und zwar durch die kosmische Strahlung, erklärt Patrick Grete, Mitarbeiter an Webers Lehrstuhl.

Diese Strahlung, in der Regel Protonen und Alpha-Teilchen, wird durch die Magnetfelder der Sonne abgelenkt und damit teilweise von der Erde ferngehalten. Auch das hängt von der Sonne ab: In Zeiten schwacher Sonnenaktivität sind auch die solaren Magnetfelder schwach und lassen mehr kosmische Strahlung zur Erde durch. In der Erdatmosphäre erzeugt sie Ionen von Luftmolekülen, die sich sofort mit einer Hülle von Wassermolekülen umgeben. Dies ist seit langem bekannt. Weber allerdings nimmt an, dass diese Wasserhülle die positiv und negativ geladenen Ionen davon abhält, sich beim Zusammentreffen durch Ladungsaustausch auszulöschen – sie bleiben als neutrale Wassertröpfchen bestehen, die beide Ionensorten enthalten. Die Ionen der Luftmoleküle sind also im Wasser in gleicher Weise gelöst wie die Ionen eines Salzes. So sind sie sehr stabil und können sich als Aerosole lange in der Atmosphäre aufhalten.

Ist die Sonne schwach aktiv, lassen also die solaren Magnetfelder viel kosmische Strahlung zur Erde durch, und es werden besonders viele Aerosole in der Atmosphäre gebildet. Sie streuen und absorbieren das einfallende Sonnenlicht – darum kommt bei geringer Aktivität deutlich weniger Licht auf der Erdoberfläche an als in aktiven Zeiten. Die Auswertung der Messdaten aus 100 Jahren zeigt, dass dieser Effekt etwa zehnmal so stark auf die Erderwärmung wirkt wie die Änderung der direkten Sonnenabstrahlung.

Das solare Minimum zwischen dem Ende des letzten und dem Beginn des jetzigen Zyklus der Sonnenaktivität dauerte sehr lange. Auch im neuen Zyklus, der 2008 begann, ist die Sonne bisher sehr ruhig. Darum, so glaubt Weber, wird die globale Erwärmung in den kommenden Jahren stagnieren, vielleicht sogar in eine Abkühlphase umschlagen.

Er hält es auch für möglich, den von ihm postulierten Effekt für die strategische Bekämpfung der Erderwärmung einzusetzen: Unter dem Oberbegriff »Geo-Engineering« werden schon heute Methoden erdacht, gezielt in die Kreisläufe der Erde einzugreifen um den Klimawandel abzuschwächen. Der Abkühlungseffekt könnte verstärkt werden, wenn solche Ionen zur Aerosolbildung zusätzlich in die Atmosphäre eingebracht würden. Es wäre womöglich nicht das erste Mal: Während des Kalten Krieges gelangte im Zuge der Kernwaffenversuche ähnlich viel ionisierende Strahlung in die Atmosphäre wie sonst durch die kosmische Strahlung. Die globale Kälteperiode von 1950 bis 1970 nannten die Medien damals „kleine Eiszeit“.

TU Dortmund/GWF/AL


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