Krach-bumm-peng – Böller in Zeitlupe
Zu Silvester wird es wieder krachen und knallen. Hochgeschwindigkeits-Videos offenbaren die dynamische Explosionsphase der Böller.
Knaller und Chinaböller bestehen üblicherweise aus einer mehrlagigen, geleimten Papierhülle, die Stabilität und Druckfestigkeit verleiht. Eine Zündschnur führt mehrere Zentimeter weit bis ins Zentrum des zylinderförmigen Hohlraums, der nur in der Mitte mit Schwarzpulver, in den größeren Randbereichen dagegen mit Tonerde oder Lehm aufgefüllt ist. Unserer Chinaböller enthielt neben 22 g Auffüllmaterial nur etwa 3 g Schwarzpulver.
Schwarzpulver besteht aus etwa 75 % Salpeter (KNO3), 15 % Holzkohle und etwa 10 % Schwefel. Bei einer Entzündungstemperatur von 270 °C ergibt sich durch chemische Reaktionen mit Gasbildung eine etwa 300-fache Volumenzunahme. Die hierbei entstehende enorme Druckwelle lässt den Böller mit einem Knall bersten. Die in anderen Anwendungen ermittelten Explosionstemperaturen liegen bei 2400 °C und führen zu Entzündungsgeschwindigkeiten von knapp über Schallgeschwindigkeit.
Das erste Video zeigt einen berstenden Chinaböller.
Hochgeschwindigkeits-Video eines berstenden Chinaböllers (4000 Bilder pro Sekunde, Integrationszeit 1/5000 s).
Zu Beginn sieht man den Effekt des hohen Innendrucks: der Böller dehnt sich aus, bevor er explodiert. Eine Analyse des Videos erlaubt es, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der entstehenden Druckwelle abzuschätzen. In mehreren Versuchen wurden Maximalgeschwindigkeiten der sichtbaren Flammenfront von 260 m/s gemessen, im vorliegenden Fall etwas kleinere Werte. Die Dauer der Reaktion vom Ausbeulen bis zum Erlöschen der Flammenfront betrug etwa 7 ms.
Tischfeuerwerke enthalten kein Schwarzpulver. Schneidet man einen solchen Pappzylinder auf, so erkennt man, wie die Zündschnur zu einem watteähnlichen Material führt. Darüber befindet sich ein gut eingepasster Plastikdeckel, über dem sich Konfetti oder Ähnliches befindet. Oben schließt ein weiterer Plastikdeckel den Zylinder ab. Treibstoff für das Feuerwerk sind etwa 0,2 g Pyrowatte, auch Kollodiumwatte genannt. Dabei handelt es sich um nitrierte Zellulose. Sie wird durch Einwirken von Salpeter und Schwefelsäure auf Baumwolle hergestellt. Pyrowatte wird häufig bei Bühneneffekten eingesetzt, da sie schnell, nicht zu heiß, aber gut sichtbar und nahezu rückstandslos verbrennt. Das zweite Video zeigt ein Tischfeuerwerk in Aktion.
Hochgeschwindigkeits-Video eines Tischfeuerwerks (4000 Bilder pro Sekunde, Integrationszeit 1/5000 s).
Es kann auf sehr unterschiedliche Weise ablaufen. Der Zylinder kann stehen bleiben, umkippen oder sogar selbst abheben, wenn der Boden undicht ist. Wenn die Zündschnur die Watte erreicht, entzündet sich diese. Bei der Verbrennung entstehen Gase, die den inneren Deckel nach oben drücken. Dadurch wird das Volumen zum oberen Zylinder verkleinert, so dass sich auch dort ein Überdruck aufbaut, der den Verschlussdeckel absprengt. In allen Fällen löst dieser sich zuerst, bevor auch der untere Deckel, der das Konfetti anhebt, erscheint. Der obere Deckel erreicht Geschwindigkeiten um 10 m/s und stößt praktisch immer an die etwa 2,5 m hohe Labordecke. Gelegentlich ist der untere Deckel durch die längere Beschleunigungsphase im Zylinder mit dem Konfetti auch schneller als der obere Deckel und trifft diesen von unten.
Die Dauer des Verbrennungsvorgang der Pyrowatte lässt sich messen, indem man den Zylinder seitlich aufschneidet und das Konfetti entfernt. Die Verbrennung dauert im Allgemeinen etwa 50 ms, kann bei größeren Mengen aber auch bis zu 150 ms dauern.
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, FH Brandenburg
Dies ist die gekürzte Version eines Artikels, der in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen ist. Sie finden ihn hier bis zum 31.12.2015 zum freien Downlaod, anschließend nur für Online-Abonnenten frei zugänglich. Der Artikel enthält weitere Bilder und Experimente. Zusätzliche Hochgeschwindigkeits-Videos finden Sie auch in unserem Youtube-Kanal.
Damit wünscht Ihnen Physik in unserer Zeit ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.