13.07.2015

Künstliche Photosynthese

Von der Natur lernen: Quanteneffekte tragen zur effizienten Lichtnutzung von Pflanzen und Bakterien bei.

Die Natur ist nicht dumm. Mit beeindruckender Effizienz nutzen Pflanzen und Bakterien das Licht der Sonne für die Photosynthese. Seit langem diskutieren Forscher, ob Quanteneffekte für diese Effizienz verantwortlich sind. Moleküle verweilen bei der Photosynthese nämlich erstaunlich lange in einem Zustand, den man nur quantenphysikalisch verstehen kann. Wissenschaftler der TU Wien haben diesen Effekt nun anhand eines Modellsystems untersucht. Dabei zeigte sich: Die heiß diskutierten langlebigen Quantenzustände sind Nebenprodukt eines anderen Phänomens. Die Kopplung zwischen Vibrationen und Elektronen der Moleküle stellt sich als entscheidend heraus.

Abb.: Die untersuchten makromolekularen Aggregate – 15 nm im Durchmesser, bis zu hunderte Mikrometer lang. (Bild: TU Wien)

Ein biologisches System wie eine lebende Zelle ist eigentlich kein gutes Quantenlabor. „Zellen sind warm, nass und unordentlich. So eine Umgebung vermeidet man normalerweise, wenn man Quantenexperimente durchführt“, erklärt Jürgen Hauer von der TU Wien. Doch das Verhalten bestimmter Molekülverbände, die bei der Photosynthese eine entscheidende Rolle spielen, ist nur quantenphysikalisch erklärbar. „Das Licht regt die Molekül­ver­bände an und bringt sie auf ein höheres Energieniveau.“

Quantenphysikalisch ist es für die Molekülverbände möglich, zwei ver­schiedene Energien gleichzeitig anzunehmen. Solche Überlagerungen werden normalerweise rasch zerstört, die klassische Physik erlaubt nur eindeutige Werte für die Energie. Bei der Photosynthese überleben diese Quanten-Zustände bei Raumtemperatur aber für die Dauer von mehreren hundert Femtosekunden. Das ist für alltägliche Maßstäbe zwar bloß ein winziger Augenblick, auf quantenphysikalischen Zeitskalen ist das aber erstaunlich lange.

„Dadurch drängte sich natürlich die Frage auf, ob diese erstaunlich lang anhaltende Quanten-Kohärenz für die Effizienz der Photosynthese notwendig ist“, so Hauer. Er selbst war davon nicht überzeugt: „Unser Tageslicht ist kein Quanten-Licht, die Sonne ist kein Laser. Es ist daher nicht wirklich nach­voll­ziehbar, warum quantenphysikalische Kohärenz nötig sein soll, um das Licht optimal zu nutzen.“

Chlorophylle oder andere Moleküle, die das Sonnenlicht umwandeln können, sind nicht zufällig verteilt, sondern finden sich zu Gruppen zusammen. Dadurch ist es möglich, dass diese Moleküle gegeneinander vibrieren. In den Photonik-Labors der TU Wien wurde das mit einem Modellsystem untersucht. Um dem Mechanismus genau auf die Spur zu kommen, analysierte man keine lebenden Zellen, sondern ein ähnliches, künstlich hergestelltes und geordnetes System aus Cyaninfarbstoff-Molekülen. Vibrationen spielen, so zeigte sich, eine ganz entscheidende Rolle. „Die Vibrationen koppeln verschiedene Energiezustände miteinander, man spricht von vibronischen Anregungen. Vibration und elektronische Zustände gehören untrennbar zusammen, sie werden ununterscheidbar“, sagt Hauer. Die vibronische Kopplung ermöglicht den schnellen und nahezu verlustfreien Transfer der Lichtenergie in Lichtsammel-Komplexen. Diese Molekülverbände werden durch das Licht zunächst angeregt und in einen Zustand hoher Energie gebracht. Ähnlich wie ein Ball auf einer Treppe von Stufe zu Stufe nach unten fällt, muss die Energie Schritt für Schritt verringert werden, um in der Zelle genutzt werden zu können. Beim wichtigen ersten Schritt dieser Energie-Kaskade spielen die Vibrationen ihre entscheidende Rolle.

Hauer möchte mit seinen Experimenten die Tricks der Natur nutzbar machen. Biologische Zellen sind in den ersten Schritten der Verarbeitung von Licht­energie deutlich effizienter als künstliche Solarzellen: Bio-Systeme wandeln neun von zehn Photonen in elektrochemische Energie um. In den später ablaufenden Schritten sinkt zwar die Effizienz, doch auch das hat seinen Sinn: Die Zelle gewinnt dadurch an Flexibilität und kann bei ganz unterschiedlichen Lichtverhältnissen überleben. Ein besseres Verständnis der natürlichen Photosynthese soll dazu führen, dass künftige Generationen von Solarzellen ähnlich gute Eigenschaften haben wie die biologischen Kraftwerke der Zelle, die von der Evolution über Milliarden Jahre optimiert worden sind.

TUW / RK

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