06.01.2017

Kugellager aus Bor-Atomen

Reibungsarmes molekulares Kugellager besteht aus nur 13 Bor-Atomen.

Molekulare Stabilität setzt keine strukturelle Starrheit voraus. Wissenschaftlern am Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Leipzig ist es erstmals gelungen, ein molekulares Kugel­lager nicht nur zu erzeugen, sondern auch dessen Beweglichkeit spektroskopisch nachzuweisen. Sie arbeiteten dabei zusammen mit Forschern des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft und des Instituts für Optik und Atomare Physik der Technischen Universität Berlin.

Abb.: Das molekulare Kugellager ziert auch das Titelbild der aktuellen Ausgabe von „Angewandte Chemie, International Edition“. (Bild: Wiley-VCH)

Leipziger Wissenschaftler um die Arbeits­kreise von Thomas Heine (Theoretische Chemie) und Knut Asmis (Physikalische Chemie) legten nun den ersten spektro­skopischen Nachweis der außer­gewöhnlichen Dynamik eines aus reinem Bor bestehenden Moleküls vor, das sich wie ein molekulares Kugel­lager verhält. Bor ist ein chemisches Element, welches zum Beispiel in der Glas­industrie in Form von Borax­gläsern und -keramiken genutzt wird. „Es war aus massen­spetrometrischen Messungen schon länger bekannt, dass genau dreizehn Boratome eine besonders stabile Verbindung, einen sogenannten magischen Cluster, eingehen können”, sagt Knut Asmis. Dessen Struktur ist eben und besteht aus zwei konzentrisch angeordneten Ringen, einem inneren Ring bestehend aus drei Bor-Atomen, umgeben von einem äußeren zehn­atomigen Bor-Ring. Heine hatte vor einigen Jahren theoretisch voraussagt, dass die beiden Ringe sich fast reibungs­los gegeneinander verdrehen lassen, ohne dadurch die Gesamt­stabilität der Verbindung in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. „Hier sind die Kugeln Elektronen­paare, die die quasi reibungs­lose gegen­läufige Bewegung der atomaren Ringe ermöglichen."

Die theoretische Voraussage motivierte Asmis, unterstützt von André Fielicke von der TU Berlin und Wieland Schöllkopf vom Fritz-Haber-Institut (FHI), spektro­skopische Untersuchungen am Freie-Elektronen-Laser am FHI in Berlin durchzuführen. „Mit kommerziell erhältlichen Lasern war der Nachweis nicht zu führen, da dies nur mit äußerst intensiver Laser­strahlung in einem ganz bestimmten Wellen­längen­bereich möglich ist", sagt Schöllkopf. Genau diese Art von elektro­magnetischer Strahlung ist am FHI zugänglich. Durch Messung des Infrarot­spektrums und der begleitenden quanten­mechanischen Rechnungen aus der Heine-Gruppe gelang der Nachweis für das molekulare Kugellager.

„Wir erreichen den Punkt, wo Quanten­effekte gezielt für die Funktionalität molekularer Systeme eingesetzt werden können", meint Thomas Heine. „Obschon die Anwendung dieser Ergebnisse noch weit in der Zukunft liegt, versprechen sie ein riesiges Potenzial, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Nobelpreis für Chemie in diesem Jahr für Entdeckungen im Bereich der 'Molekularen Maschinen' verliehen wurde. Die Nano­technologie wird von Erkenntnissen wie unseren immens profitieren können."

U. Leipzig / DE

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