Laserfelder offenbaren oberflächliche Magnetisierung
Neue Methode für die Analyse von Oberflächen transparenter Kristalle.
Die Oberfläche eines Materials besitzt häufig Eigenschaften, die sich gravierend von den Eigenschaften innerhalb des Materials unterscheiden. Beispielweise kann ein nicht-leitender Kristall, der eigentlich keine Magnetisierung aufweist, durch die Anordnung der Oberflächenatome eine auf die Grenzfläche begrenzte Magnetisierung besitzen. Diese abweichenden Eigenschaften an Grenz- und Oberflächen von Materialen spielen oft eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung neuer funktionaler Bauelemente wie optoelektronischen Chips oder Sensoren und werden daher intensiv erforscht. Einem internationalen Forschungsteam der Universität Göttingen, des Max-Plank-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen und des National Research Council Kanada ist es nun gelungen, Oberflächen transparenter Kristalle mittels starker Laserbestrahlung zu untersuchen.
Die Forscher nutzten eine rein optische Methode, um elektrische und magnetische Eigenschaften an Oberflächen zu bestimmen. Diese neue Methode könnte bei der Untersuchung transparenter, nicht-leitender Materialien eine wichtige Rolle spielen, da hier etablierte Verfahren mit Elektronen unter anderem aufgrund der geringen Leitfähigkeit oft experimentellen Einschränkungen unterliegen. Die Verwendung von Licht umgeht diese Einschränkungen: Treffen Lichtstrahlen auf eine Materialoberfläche, beispielsweise eine Glasscheibe, werden sie an der Grenzfläche reflektiert, gebrochen und im Material absorbiert.
Diese alltäglich beobachtbaren Effekte sind das Resultat der Wechselwirkung des schwachen Lichtfeldes mit den Atomen und Elektronen des beschienenen Materials. Bei stärkeren Lichtfeldern, die mit Lasern erzielt werden, kommt es zu weiteren Effekten, welche beispielsweise höhere Lichtfrequenzen – hohe Harmonische – erzeugen können. Diese Effekte hängen dann oft von der Schwingungsrichtung des Lichtfeldes relativ zur atomaren Anordnung in dem Material ab. „Diese Abhängigkeit nutzen wir beim Erzeugen hoher harmonischer Strahlung aus, um Einblicke in die Eigenschaften an und nahe der Oberfläche von transparenten Materialen zu erhalten“, sagt Doktorand Tobias Heinrich. „Das Lichtfeld, das wir dabei verwenden, ist aus zwei gegensätzlich rotierenden Laserimpulsen bei zwei unterschiedlichen Frequenzen zusammengesetzt, sodass in der Summe ein kleeblattförmiges symmetrisches Feld resultiert.“ Diese maßgeschneiderten Lichtfelder lassen sich an die Atomanordnung des Materials anpassen, um so die Erzeugung der hohen Harmonischen zu kontrollieren.
„Wir zeigen, dass durch diese Kontrolle die Magnetisierung an der Oberfläche von Magnesiumoxid erforscht werden kann“, sagt Murat Sivis. Dabei werde das erzeugte ultraviolette Licht in Abhängigkeit von der Rotationsrichtung des Lichtfeldes unterschiedlich stark an der Grenzfläche absorbiert. „Bei diversen Materialien, die eigentlich keine Magnetisierung oder elektrische Leitfähigkeit ausweisen, wurden solche Oberflächeneigenschaften theoretisch vorhergesagt“, so Sivis. „In unserer Studie zeigen wir, dass man solche Phänomene nun mit rein optischen Methoden untersuchen kann, vermutlich sogar auf sehr kurzen Zeitskalen.“ Darüber hinaus versprechen sich die Forscher auch neue Einblicke in elektronische Eigenschaften anderer chiraler Materialien, wie die Studie am Beispiel der schraubenartigen Kristallstruktur von Quarz zeigt. Die Sensitivität auf chirale Phänomene an Oberflächen könnte generell neue Möglichkeiten bei der Erforschung neuartiger funktionaler Materialen eröffnen.
GAU / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Heinrich et al.: Chiral high-harmonic generation and spectroscopy on solid surfaces using polarization-tailored strong fields, Nat. Commun. 12, 3723 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-23999-9 - Nano-Optik & ultraschnelle Dynamik, IV. Physikalisches Institut, Georg-August-Universität Göttingen