16.07.2014

Laserstrahlen komprimieren Diamant auf die Dichte von Blei

In der NIF erreichter Druck von fünf Terapascal entspricht dem Druck im Kern des Saturn.

Wie sich Materie unter extremem Druck verhält, interessiert Astrophysiker, Planetologen und Fusionsforscher gleichermaßen. Die National Ignition Facility am Lawrence Livermore Lab kann mit intensiven Laserstrahlen in einem Target Drücke von einigen Terapascal erreichen, wie sie etwa im Zentrum vom Saturn herrschen. Jetzt haben Forscher an der NIF erstmals Diamant, die härteste Substanz, auf die Dichte von Blei komprimiert und das beobachtete Verhalten analysiert.

Abb.: Druck-Dichte-Kurve von Diamant bei extrem hohen Drücken. Die Ergebnisse von NIF (blaue +-Zeichen und Kurve) liegen im Bereich verschiedener theoretischer Vorhersagen. (Bild: R. F. Smith et al. / NPG)

Um solch extreme Drücke zu erreichen, haben Forscher um Ray Smith vom LLNL und Raymond Jeanloz von der UC Berkeley mit 176 der insgesamt 192 Laserstrahlen von NIF, bei einer Spitzenleistung von 2,2 TW, in einen kleinen Hohlzylinder geleuchtet. In dem 6 mm breiten und 11 mm langen Zylinder erhitzte der intensive UV-Strahlungspuls der Laser die Wandung. Dabei entstand Röntgenstrahlung, die den Hohlraum gleichmäßig ausfüllte.

Die Röntgenstrahlung traf auf die glatte Unterseite eines stufenförmigen Targets aus synthetischen Diamanten, das an der Zylinderwand befestig war. Dabei verdampften die oberflächennahen Kohlenstoff­atome. Durch den plötzlichen Rückstoß entstand ein hoher Druck, der das Target komprimierte. Wie schnell diese Kompression die vier unterschiedlich dicken Zonen des Targets durchquerte, beobachteten die Forscher mit einem Geschwindig­keits­inter­fero­meter. Daraus gewannen sie Information über Druck und Dichte im Diamanten.

Da die Forscher die Verhältnisse im Innern von Riesen­planeten simulieren wollten, wo die Temperaturen niedrig sind und die hohen Drücke sich über lange Zeit einstellen konnten, mussten sie bei ihren Experimenten sorgfältig vorgehen. Indem sie die Intensität des 20 ns langen Laserpulses mit einer Genauigkeit von 1 % und einer Zeitauflösung von 0,02 ns formten und langsam erhöhten, konnten sie den Druck im Diamanten stetig hochfahren, ohne dass dabei eine Stoßwelle entstand, die das Material zusätzlich erhitzt hätte. Die so geformte Druckwelle kam schneller voran als die von der heißen Unterseite des Targets ausgehende Erwärmung, sodass die hohen Drücke im noch kalten Diamanten auftraten.

Durch Wiederholung ihres Experiments mit unterschied­lichen Puls­stärken fanden die Forscher heraus, wie die Dichte des Diamanten mit dem aufgewandten Druck (genauer: der Längs­spannung) anstieg. Während der Druck 5 TPa erreichte, also fünfzig Millionen Atmosphären, und somit den Druck im Zentrum vom Saturn (4 TPa) überbot, stieg die Dichte auf 12 g/cm3 und übertraf damit die Dichte von Blei.

Abb.: Im Target-Raum der NIF trifft extrem intensive Laserstrahlung aus den beiden horizontalen Spitzen auf ein dazwischen gehaltenes Target. (Bild: M. Swisher, LLNL)

Die experimentelle Druck-Dichte-Kurve lag im Bereich der mit verschiedenen Verfahren berechneten theoretischen Vorhersagen. Allerdings lieferte die Thomas-Fermi-Dirac-Theorie mit unterschiedlichen Korrekturen bei gegebener Dichte stets zu hohe Drücke. Hingegen ergab die Dichte­funktional­theorie (DFT) bei tiefen Temperaturen zu niedrige Drücke, hingegen bei von Stoßwellen verursachten hohen Temperaturen zu hohe Drücke. Insgesamt war die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment jedoch zufrieden­stellend.

Darüber hinaus sagte die DFT bei tiefen Temperaturen mehrere Phasen­übergänge vorher. So sollte sich Diamant bei zirka 1 TPa in eine kubisch raum­zentrierte Phase und diese bei 2,7 TPa in eine einfach kubische Phase umwandeln. Allerdings haben die Experimente keine Hinweise auf diese Phasen­über­gänge ergeben. Die Forscher wollen mit Hilfe eines Freie-Elektronen-Lasers die atomare Struktur und Dynamik des komprimierten Diamanten durch Röntgen­beugung aufklären. Dabei könnte so manches exotische Phänomen zutage treten. So erwartet man bei Drücken von 25 TPa, dass sich einige der Valenz­elektronen des Kohlenstoffs vom Atomkern wegbewegen und die Rolle von Anionen in einem exotischen Ionenkristall spielen, der dem von Kalzium­fluorid ähnelt.

Dass sich mit NIF am Beispiel des Diamanten das Verhalten von kalter Materie bei Drücken von vielen Terapascal untersuchen lässt, eröffnet wertvolle Einblicke in den Aufbau von Exoplaneten, die größer als Jupiter sind. Die NIF-Experimente könnten für manche Exoplaneten, die vermutlich zum größten Teil aus Kohlenstoff bestehen, sogar noch bedeutsamer sein. So berechnen die Forscher für den kohlenstoffreichen Begleiter des Milli­sekunden­pulsars PSR J1719-1438, der etwas masse­reicher ist als Jupiter, den 4,5-fachen Erd­durch­messer und einen zentralen Druck von 148 TPa. Seine mittlere Dichte sollte demnach 23 g/cm3 betragen, was mit den astrono­mischen Beob­ach­tungen in Einklang steht.

Rainer Scharf

OD

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