13.02.2015

Lebende Bakterien durchleuchtet

Ultraschnelle Röntgenaufnahme liefert Bilder mit hoher Auflösung, bevor Strahlenschäden eintreten.

Ein internationales Forscherteam hat erstmals mit dem welt­stärksten Röntgen­laser lebende Bakterien­zellen durchleuchtet. Die verwendete Methode erreicht eine höhere räumliche und zeitliche Auflösung als optische Mikroskopie­verfahren und bietet zudem die Chance, detaillierte drei­dimensionale Modelle der Zelle zu erstellen. Üblicherweise sind biologische Zellen tot und chemisch fixiert, wenn sie mit Röntgen­strahlung untersucht werden.

Abb.: Rekonstruktion eines Cyanobakteriums aus dem Röntgenstreubild. (Bild: G. van der Schot / U. Uppsala)

„Wenn man die Details der Funktions­weise einer Zelle ganz verstehen will, braucht man sie lebend“, betont Janos Hajdu von der Universität Uppsala, einer der leitenden Wissenschaftler bei diesem Experiment. Zu diesem Zweck sprühten die Wissenschaftler lebende Cyano­bakterien in einem feinen Aerosolnebel in den Strahl des Röntgenlasers LCLS am US-Forschungs­zentrum SLAC in Kalifornien. Treffen die ultrakurzen Röntgen­blitze des Lasers auf eine Bakterienzelle, werden sie in charakteristischer Weise gestreut. Aus dem Streubild, das von einem Hoch­leistungs­detektor aufgezeichnet wird, lässt sich die räumliche Struktur der untersuchten Zelle berechnen und somit ein Abbild rekonstruieren.

„Obwohl die Röntgenstrahlung die Zellen zerstört, lassen sich mit den ultrakurzen und sehr hellen Blitzen eines Röntgen­lasers Streubilder schnell genug aufnehmen, um ein korrektes Bild der Probe zu gewinnen, bevor sie verdampft“, betont DESY-Forscher Anton Barty vom Center for Free-Electron Laser Science. „Die Blitze sind schneller als die Zerstörung.“ Dieses Prinzip der „Streuung vor Zerstörung“ (diffraction before destruction) ist in verschiedenen anderen Experimenten bereits belegt worden.

Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher zwei Arten von Cyano­bakterien, Cyanobium gracile und Synechococcus elongatus. Diese Bakterien haben eine zylindrische Form, die auf den aus den Daten berechneten Bildern deutlich zu erkennen ist. Tatsächlich könnten die Aufnahmen sogar noch besser sein, betont der Leiter des Experiments, Tomas Ekeberg von der Universität Uppsala. Denn die Datenflut war größer als die Detektoren bewältigen konnten, so dass eine Art Überbelichtung entstand. „Wir können bislang nur bis zu einer Auflösung von 76 Nanometern exakt rekonstruieren. Aber die gesammelten Daten deuten darauf hin, dass wir bis hinunter zu vier Nanometern gehen können, das ist die Größe eines Proteinmoleküls“, sagt Ekeberg.

„Dieses Experiment war eine Machbarkeits­studie“, betont Ekeberg. „Wir können deutlich höher aufgelöste Bilder gewinnen, wenn wir Filter benutzen, um die Über­belichtung zu vermeiden,“ ergänzt sein Doktorand Gijs van der Schot, Hauptautor der Studie. Hoch­aufgelöste Röntgenbilder von biologischen Zellen benötigen üblicherweise eine lange Belichtungs­zeit und eine millionenfach höhere Strahlungsdosis als die Zelle lebend überstehen kann. Daher stammt ein großer Teil des heutigen Wissens über die hoch­aufgelöste Struktur biologischer Zellen aus toten, sogenannten chemisch fixierten Proben.

Die in der neuen Studie verwendete Methode kann dagegen die Struktur lebender Zellen schneller erfassen, als die Strahlen­schäden entstehen. Die Dauer der einzelnen Röntgenblitze war seibzig Femtosekunden. Auf diese Weise kann die neue Methode Forschern helfen, manche Rätsel der Zellfunktion besser zu verstehen. Darüber hinaus eröffnet das Verfahren die Möglichkeit, Zellen und die Zellaktivität dreidimensional zu modellieren, und damit wichtige Einblicke in fundamentale Prozesse zu erhalten, die etwa für die Infektions­forschung von Bedeutung sind.

„Das ist eine vielversprechende Methode für den European XFEL“, sagt Ko-Autor Joachim Schulz vom künftigen europäischen Röntgen­laser European XFEL, der zurzeit vom DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld bis in die benachbarte Stadt Schenefeld in Schleswig-Holstein gebaut wird. „Das Verfahren erschließt neue Möglichkeiten, Bilder von lebenden Organismen in schneller Folge zu gewinnen.“ Der European XFEL wird ultrakurze und extrem helle Röntgenblitze mit einer 300 Mal höheren Pulsrate erzeugen als die heute besten Röntgenlaser.

Die Forschergruppe will das Verfahren nun in weiteren Experimenten verbessern und insbesondere eine höhere räumliche Auflösung der Bilder erreichen. Darüber hinaus erwarten Ekeberg und van der Schot, dass künftige Arbeiten etwa die Zellteilung in 3D untersuchen und spezielle Struktur­informationen aus den Zellen für die Bioinformatik liefern. „Der Unterschied zwischen Bildern, die mit dieser Technik produziert wurden, und solchen aus der konventionellen optischen Mikroskopie von lebenden Zellen ist enorm“, betont Hajdu. „Kaum jemand hat erwartet, dass dies möglich ist.“

DESY / XFEL / DE

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