Leopoldina wird Nationalakademie
Die älteste naturwissenschaftliche Akademie Europas, die Leopoldina in Halle (Sachsen-Anhalt), wird künftig Deutschlands Nationale Akademie sein.
Berlin (dpa) - Die älteste naturwissenschaftliche Akademie Europas, die Leopoldina in Halle (Sachsen-Anhalt), wird künftig Deutschlands Nationale Akademie sein. Die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern billigten am Montag in Berlin einstimmig den Vorstoß von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Die Nationalakademie soll die Politik beraten und auch als «Stimme der deutschen Wissenschaft» im Ausland auftreten.
Mit der Einigung wird ein mehr als zehnjähriger Streit um die Errichtung einer deutschen Nationalakademie beendet. Der Beschluss erfolgte auf der ersten Sitzung der neuen Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern. Sie tritt nach der Föderalismusreform die Nachfolge der bisherigen Bund-Länder- Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung an.
Schavan sagte: «Ich freue mich, dass es nach langer Zeit gelungen ist, auch in Deutschland eine Nationale Akademie einzurichten. Politik und Wissenschaft müssen einen kontinuierlichen Dialog führen.» Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) sagte, die neue Nationale Akademie werde vor allem bei Zukunftsfragen «die erste Adresse sein».
Dabei gehe es nicht darum «den vielen Büchern noch eines hinzuzufügen», sagte Olbertz. Die Nationalakademie werde «an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft Empfehlungen für aktuelles politisches Handeln geben». Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) hob hervor, dass in der Nationalakademie verschiedenste Fachdisziplinen zusammenarbeiten werden.
Die Nationale Akademie soll mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eng zusammenarbeiten. Bis 2010 übernimmt der Bund 80 Prozent der jährlichen Kosten in Höhe von knapp vier Millionen Euro. Das Land Sachsen-Anhalt zahlt 20 Prozent. Dann soll neu verhandelt werden. Olbertz sagte, es sei allen klar, dass in der Aufbauphase zusätzlich investiert werden müsse.
Leopoldina-Präsident Volker ter Meulen begrüßte die Einigung. «Wir freuen uns sehr», sagte der Würzburger Virologe der Deutschen Presse- Agentur dpa. Die Leopoldina stehe somit auf gleicher Augenhöhe mit nationalen Wissenschaftsakademien anderer Länder, beispielsweise der Royal Society (London) oder der Académie des Sciences (Paris).
Vertagt wurde bei dem Bund-Länder-Treffen die Entscheidung über den Aufbau eines nationalen Stipendiensystems für Studierende. Nach dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sollen künftig zehn Prozent der Leistungsbesten eines jeden Jahrgangs monatlich 300 Euro zusätzlich erhalten. Wie Schavan mitteilte, soll bis Mai zunächst eine Übersicht über alle Stipendien in Deutschland erstellt werden.
Pinkwart bedauerte die Vertagung, nachdem die Wirtschaft bereits ihr Engagement für den Aufbau eines nationalen Stipendiensystems signalisiert habe. Er wolle aber weiter aufs Tempo drücken, sagte Pinkwart der dpa. «Unsere Studenten brauchen mehr Chancen auf ein Stipendium.» Der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, sagte dagegen, es gebe genug Stipendien für Begabte. «Wir brauchen jetzt dringend Stipendien für Benachteiligte.» Dies gelte umso mehr, nachdem immer mehr unionsgeführte Bundesländer Studiengebühren eingeführt hätten.
Hintergrund - Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) ist Nachfolgerin der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK). Die Wissenschaftsminister von Bund und Länder wollen sich in dem Gremium künftig bei überregionalen Fragen der Forschungspolitik abstimmen. Am Montag fand im Bundesrat in Berlin die erste Sitzung der Bund-Länder-Ministerrunde statt. Die GWK-Geschäftsstelle bleibt in Bonn. Die Zahl der Mitarbeiter wurde von 24 auf 16 reduziert.
Zu den aktuellen GWK-Aufgaben gehört derzeit die Bund-Länder- Abstimmung über die Aufwertung der Leopoldina in Halle zur Deutschen Nationalakademie - was der Bund allerdings auch nur mit dem Land Sachsen-Anhalt ohne Beteiligung der übrigen Bundesländer tun könnte. Verhandelt werden in der GWK künftig die Haushalte der deutschen Forschungsorganisationen, Neugründungen überregionaler Forschungseinrichtungen oder der Aufbau eines nationalen Stipendiensystems für besonders begabte Studierende.
Die GWK-Gründung ist Folge der Föderalismusreform von 2005. Danach zieht sich der Bund weitgehend aus der Bildungspolitik zurück und setzt seinen Schwerpunkt künftig in der Wissenschaftspolitik. Doch der Bund ist auch weiterhin für Fragen der Studienzulassung und der Hochschulabschlüsse zuständig. Die bisherige BLK-Aufgabe, auch bei der Bildungsplanung ein Minimum an Bund-Länder-Abstimmung herzustellen, ist mit der Föderalismusreform entfallen. Dabei war die BLK-Gründung im Juli 1970 Ergebnis ähnlich stürmischer Debatten über Mängel in der deutschen Bildung - wie sie heute noch immer geführt werden.