04.12.2015

Licht streut an Licht

Hadronischer Quantenprozess mit Methoden der Gitter-Quanten­chromo­dynamik erst­mals direkt berechnet.

Ein Team um Harvey Meyer vom Institut für Kernphysik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hat erstmals eine direkte Berechnung eines wichtigen Prozesses in der subatomaren Welt vorgelegt. Die hadronische Licht-an-Licht-Streuung spielt eine wichtige Rolle für die Erkundung der Grenzen des Standard­modells der Elementar­teilchen­physik, das unser gegen­wärtiges Verständnis des Mikro­kosmos zusammen­fasst.

Abb.: Das High Performance Computing-Cluster „Clover” am Helmholtz-Institut Mainz. (Bild: E. Lichten­scheidt, JGU)

Die Quantenelektrodynamik als Teil des Standardmodells beschreibt die Wechselwirkungen von Lichtquanten mit Materie. Sie sagt unter anderem vorher, dass es eine Streuung von Lichtquanten, den Photonen, an anderen Photonen gibt. Diese Vorhersage steht im deutlichen Gegensatz zur bei makroskopischen Skalen gültigen klassischen Theorie, nach der Lichtstrahlen einander ohne Wechselwirkung passieren. In der Quantentheorie geschieht diese Streuung durch die Vermittlung virtueller Teilchen, die aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation kurzzeitig aus dem Vakuum erzeugt werden können.

Die Mainzer Physiker haben einen speziellen Beitrag zu dieser Licht-an-Licht-Streuung betrachtet, bei dem die virtu­ellen Teilchen Hadronen sind, die der starken Wechsel­wirkung unterliegen. Im Gegen­satz zum Beitrag virtu­eller Elektronen lässt sich der hadronische Beitrag nicht mit bekannten analytischen Methoden berechnen. „Hadronen sind aus Quarks aufgebaut“, erklärt Meyer. „Aber die Quarks können nicht aus den Hadronen heraus­gelöst werden. Dieses Wechselspiel, das man auch Quark-Hadron-Dualität nennt, zusammen mit der Stärke der Wechselwirkung, macht das Problem so schwierig.“

Die Forschergruppe hat die hadronische Licht-an-Licht-Streuung daher mit Methoden der Gitter-Quanten­chromo­dynamik mittels groß angelegter Computer-Simulationen berechnet. Am Superrechner „Clover“ am Helmholtz-Institut Mainz konnten die Wissenschaftler die enorme Menge an Rechen­operationen in relativ kurzer Zeit durch­führen. „In der vorliegenden Studie steckt das Äquivalent von rund einer Million Stunden Rechenzeit auf einem typischen PC-Prozessor – das sind über hundert Jahre“, erläutert Georg von Hippel, einer der Koautoren der Studie. „In Zukunft werden wir noch viel mehr Rechenzeit benötigen, um unser eigentliches Ziel zu erreichen.“

Denn die gegenwärtige Studie ist für die Mainzer Wissen­schaftler, deren Forschung durch den Exzellenz­cluster Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter PRISMA gefördert wird, nur ein Etappen­ziel. „Die direkte Berechnung der Licht-an-Licht-Streuung in der Gitter-QCD ist bahn­brechend“, meint PRISMA-Sprecher Hartmut Wittig, „aber unser eigentliches Ziel ist die präzise Bestimmung aller hadronischen Beiträge zum anomalen magnetischen Moment des Myons.“ Das magnetische Moment ist eine Eigenschaft des Myons, die sich experimentell mit hoher Genauigkeit messen und theoretisch genau vorhersagen lässt. Die hadronische Licht-an-Licht-Streuung liefert dabei einen bisher nur wenig genau bekannten Beitrag zur theore­tischen Vorhersage.

Der Vergleich von Theorie und Experiment ermöglicht es, die Grenzen des Standard­modells der Elementar­teilchen­physik auszuloten. Und genau in diesem Vergleich besteht seit Jahren eine kleine, aber deutliche Diskrepanz zwischen theoretischer Vorhersage und experi­men­teller Messung. „Es ist noch zu früh, zu sagen: das ist ein Hinweis auf neue Physik“, meint Meyer, „auch wenn die Indizien tenden­ziell in diese Richtung zeigen. Aber bevor die physika­lische Community bereit ist, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, müssen erst alle Unsicher­heiten unter Kontrolle gebracht werden.“

JGU / PH

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