08.04.2022

Lichtpulse stimulieren Nerven

Implantat nutzt Pigmente von organischen Solarzellen.

Neuartige Licht-Implantate können zum Anregen von Nervenzellen ein­gesetzt werden, berichten Forschende der TU Graz, der Med Uni Graz, der Universität Zagreb und dem CEITEC (Central European Institute of Technology). Basis dafür sind Farbpigmente aus der Lebensmittel­industrie, wie sie auch in organischen Solar­zellen verwendet werden. Die Pigmente werden zu einer nur wenige Nanometer dünnen Schicht aufgedampft und wandeln dort – gleich wie in organischen Solar­zellen – Licht in elektrische Ladung. Nerven­zellen, die an der Folie anhaften, reagieren auf diese Aufladung und feuern ihrerseits elek­trische Impulse, mit denen sie andere Nervenzellen anregen.

Abb.: Mit diesen hauchdünnen und licht­sensitiven Pigment­folien lassen sich...
Abb.: Mit diesen hauchdünnen und licht­sensitiven Pigment­folien lassen sich Nerven­zellen stimulieren. (Bild: Lunghammer, TU Graz)

In ersten Experimenten konnten die Forschenden diesen Prozess nun nachweisen. Gezüchtete Nerven­zellen, die direkt auf der Folie wuchsen, wurden durch mehrere jeweils wenige Milli­sekunden kurze Lichtblitze mit einer Wellenlänge von 660 Nanometern angeregt und reagierten wie erhofft: Sie erzeugten Aktions­potenziale, die wesentlich sind für die Kommuni­kation zwischen Nervenzellen. Theresa Rienmüller von der TU Graz spricht von einem Paradigmen­wechsel: „Im Gegensatz zur derzeit gängigen Elektro­stimulation mittels Metall­elektroden stellen unsere Pigment­folien eine vollkommen neue Möglichkeit dar, Nervenzellen anzuregen.“

Die Folien sind so dünn, dass sie leicht implantiert werden können. Während der Behandlung würde die Nervenzellen dann mit rotem Licht bestrahlt werden, das ohne Schaden tief in den Körper dringen kann. „Wir denken, dass kurzfristige Behandlungen zu thera­peutischen Langzeit­effekten führen können. Diese Experimente werden jetzt gerade erforscht“, gibt Rainer Schindl Elektro­physiologe am Lehrstuhl für Biophysik der Med Uni Graz einen Ausblick. Zukünftig bräuchte es also keine aufwendige Verkabelung mehr, was nach invasiven Eingriffen wiederum die Infektions­gefahr reduziert, weil keine Schläuche oder Kabel mehr aus dem Körper nach außen führen müssen. Dank ihrer organischen Beschaffen­heit sind die Pigment­folien ausgesprochen gut verträglich, sowohl für menschliche als auch für tierische Zellen.  

Anwendungs­möglichkeiten sehen die Forschenden bei schweren Hirnverletzungen. Hier kann die Stimulation von Nervenzellen den Heilungsprozess beschleunigen und Komplikationen vorbeugen, indem sie „ein Absterben der Nervenzellen verhindert“, so Biophysiker Tony Schmidt von der Med Uni Graz. Potenzial sehen die Forschenden auch bei anderen neuro­logischen Verletzungen oder in der Schmerztherapie. Außerdem könne die Techno­logie eingesetzt werden, um neuartige Netzhaut-Implantate zu erzeugen. Bis die Pigment­folie den Weg in die klinische Anwendung findet, ist noch weitere Forschung nötig. Diese erfolgt unter anderem im Rahmen eines derzeit laufenden Zukunfts­kollegs „LOGOS-TBI: Light-controlled OrGanic semicOn­ductor implantS for improved rege­neration after Traumatic Brain Injury“. Rienmüller, Schindl und Schmidt geben sich zuversichtlich, dass „schon in den nächsten beiden Jahren erste Pigment­folien implantiert werden könnten.“  

TU Graz / JOL

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