13.12.2018

Magische kolloidale Cluster

Komplexe Strukturen entstehen durch Selbst­orga­ni­sa­tion von Partikeln.

Komplexität in der Natur entsteht häufig durch Selbst­orga­ni­sa­tion und gilt als beson­ders robust. Von prak­tischer Bedeu­tung zeigen sich Cluster, kompakte Ansamm­lungen elemen­tarer Partikel, die als Atom­kerne, Nano­teil­chen oder Viren vor­kommen. Jetzt ent­schlüs­selte ein inter­diszipli­näres Forscher­team um Nicolas Vogel und Michael Engel von der Uni Erlangen-Nürn­berg die Struktur und den Bildungs­prozess einer Klasse dieser hoch­geord­neten Cluster.

Abb.: Elektrone­nmikro­sko­pische Auf­nahme von kolloi­dalen Clustern....
Abb.: Elektrone­nmikro­sko­pische Auf­nahme von kolloi­dalen Clustern. Jeder Cluster besteht aus winzigen Polymer­kugeln, die sich zu einem trock­nenden Wasser­tropfen zusammen­fügen. (Maß­stabs­balken: 2 Mikro­meter; Bild: J. Wang, FAU).

Als Cluster bezeichnen Physiker eine eigene Materieform, die im Über­gangs­bereich zwischen iso­lierten Atomen und aus­ge­dehnten Fest­körpern oder Flüssig­keiten ange­siedelt ist. Die „magischen Cluster“ gehen ursprüng­lich auf Arbeiten von Eugene Wigner, Maria Göppert-Mayer und Hans Jensen zurück, die mit dieser Theorie die Stabi­lität von Atom­kernen erklären konnten und dafür im Jahr 1963 mit dem Physik-Nobel­preis aus­ge­zeichnet wurden. „Bisher ging man in der Wissen­schaft davon aus, dass der Effekt aus­schließ­lich durch die Anzie­hung von Atomen zustande kommt“, sagt Vogel. „Unsere Forschungen belegen nun, wie auch Partikel, die sich nicht anziehen, solche Struk­turen bilden. Damit trägt die Publi­ka­tion zum Ver­ständnis von Struktur­bildungen von Clustern ganz generell bei.“

Erster Schritt der Wissenschaftler war die Synthese kolloi­daler Cluster, die sehr klein sind und in einem mehr­stufigen Prozess ent­stehen. „Zunächst ver­dampft Wasser aus einem Emulsions­tropfen und die Polymer­kugeln werden zusammen­ge­schoben. Danach bilden sie im Laufe der Zeit immer gleich­mäßi­gere kugel­förmige Cluster und beginnen zu kristal­li­sieren. Mehrere tausend Einzel­teil­chen finden dabei – und das ist das Bemerkens­werte – von selbst ihre ideale Posi­tion in einer präzisen hoch­symme­trischen Struktur, bei der alle Partikel auf vor­her­sag­baren Plätzen sitzen“, erläutert Vogel.

Die Forscher fanden mehr als 25 verschiedene magische kolloi­dale Cluster in ver­schie­denen Typen und Größen und arbei­teten vier unter­schied­liche Cluster-Morpho­logien heraus: Mit der schnell­sten Ver­dampfung bilden sich ver­beulte Cluster, da sich die Tröpf­chen­grenz­fläche schneller bewegt als sich kolloi­dale Partikel ver­festigen können. Wenn die Ver­dampfungs­rate gesenkt wird, domi­nieren kugel­förmige Cluster. Sphärische Cluster weisen eine gleich­mäßig gekrümmte Ober­fläche mit nur schwacher Kristall­ordnung auf. Zudem bilden sich mit weiter abneh­mender Ver­dampfungs­rate Cluster mit ikosae­drischer Symmetrie heraus. Diese Cluster sind besonders hoch­symme­trisch und weisen viele zwei-, drei- und fünf­fache Symmetrie­achsen auf.

In einem weiteren Schritt führten die Forscher Simula­tionen und hoch­genaue nume­rische Berech­nungen durch. Die Analyse belegten, dass Cluster, deren Zahl der Bau­steine iden­tisch mit einer magischen Zahl ist, erhöhte Stabi­lität auf­weisen – wie von der Theorie vorher­gesagt. Das Vor­kommen der beob­ach­teten ikosae­drischen Cluster ist wohl­bekannt für Viren und ultra­kleine Metall­cluster, konnte aber bisher nicht direkt unter­sucht werden. Die aktuellen Ergeb­nisse liefern daher erst­malig ein detail­liertes und systema­tisches Ver­ständnis der Aus­bil­dung solcher magischen Cluster im unter­suchten Modell­system und erlauben Rück­schlüsse auf andere natür­liche Systeme, die zur Cluster­bildung neigen.

FAU / RK

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