Magnetische Monopole sichtbar gemacht
Mit einem Magnetkraftmikroskop haben britische Forscher magnetische Monopole in einem künstlichen zweidimensionalen Kristall beobachtet.
Mit einem Magnetkraftmikroskop haben britische Forscher magnetische Monopole in einem künstlichen zweidimensionalen Kristall beobachtet.
In die Erforschung magnetischer Monopole kommt Bewegung. Freie Monopole hat man bisher zwar noch nicht gefunden. Doch in exotischen magnetischen Substanzen, die als Spineis bezeichnet werden, haben mehrere Forschergruppen magnetische Anregungen nachgewiesen, die sich wie magnetische Ladungen im Kristall bewegen. Diese Anregungen sind allerdings zu klein, um sie einzeln beobachten zu können. Doch jetzt haben Forscher um Will Branford vom Imperial College in London einen zweidimensionalen Kristall aus magnetischen Nanostrukturen hergestellt, an dem sie die Bewegungen von magnetischen Ladungen direkt sichtbar machen konnten.
Abb.: Magnetische Ladungen unterwegs im Wabenmuster: Die Aufnahmen mit dem Magnetkraftmikroskop (links) zeigen positive und negative magnetische Ladungen (gelbe bzw. rote Punkte). Im Vektormodell (rechts) sind die beiden dicken gelben Punkte als dreifach geladene Monopolstörstellen erkennbar. (Bild: S. Ladak et al., Nature Physics)
Der Kristall bestand aus einem Bienenwabenmuster von winzigen Balken aus Kobalt, die jeweils 1 µm lang, 100 nm breit und 20 nm dick waren. Der filigrane Kristall erstreckte sich über eine Fläche von 100 µm × 100 µm. Jeder Balken bestand aus einer magnetischen Domäne und war entlang seiner Längsachse magnetisiert. Die Balken waren so groß, dass sie bei Zimmertemperatur stabilen Ferromagnetismus zeigten, ihre Magnetisierungsrichtung aber auch umkehren konnten. Mit einem Magnetkraftmikroskop konnten Branford und seine Kollegen beobachten, wie der magnetische Dipol jedes einzelnen Balkens orientiert war.
Da im untersuchten Gitter an jedem Gitterpunkt immer drei Balken aneinander stießen, mussten dort mindestens zwei Balken entgegen gesetzt magnetisiert sein. Das System wurde durch die Geometrie des Gitters zu einer energieaufwendigen Orientierung seiner Elementarmagnete gezwungen, es war „frustriert“. Magnetische Frustration hatte auch bei den dreidimensionalen Spineiskristallen vorgelegen und dort das Entstehen von magnetischen Monopolen ermöglicht. Auch beim zweidimensionalen Bienenwabenkristall ließ die magnetische Frustration ungewöhnliche Anregungen entstehen.
Um das zu verstehen, stellt man den magnetischen Dipol eines jeden Balkens durch einen Pfeil mit Spitze und Ende dar. Zu jedem Gitterpunkt gehören dann drei Pfeile, die im Wesentlichen auf vier Arten orientiert sein können: am Gitterpunkt befinden sich (1) zwei Spitzen und ein Ende, (2) eine Spitze und zwei Enden, (3) drei Spitzen oder (4) drei Enden. Die Magnetisierung im Gitterpunkt ist in den vier Fällen unterschiedlich stark und beträgt in geeigneten Einheiten +q, –q, +3q bzw. –3q. Tatsächlich konnten die Forscher mit dem Rasterkraftmikroskop diese unterschiedlichen Magnetisierungen einzelner Gitterpunkte beobachten und unterscheiden.
Aus den Orientierungen (1) und (2) können die Orientierungen (3) und (4) entstehen, indem jeweils der einzelne, „falsch“ orientierte magnetische Dipol umklappt. Dabei werden für den Dipol die positive magnetische Ladung +q (an der Pfeilspitze) und die negative magnetische Ladung –q (am Pfeilende) miteinander vertauscht. Die beiden Ladungen bleiben zwar als Dipol miteinander verbunden, doch beim Umklappen findet ein Transport der Ladung +2q oder –2q zum benachbarten Gitterpunkt statt. Indem weitere Dipole umklappen, wie Dominosteine in einer Reihe, kann die magnetische Ladung durch das Bienenwabengitter wandern. Sie verhält sich wie ein beweglicher magnetischer Monopol.
Trägt ein Gitterpunkt die Ladung ±3q, so muss sich ein magnetischer Monopol mit der Ladung ±2q auf einen mit ±q geladenen Gitterpunkt gesetzt und dort eine Störstelle erzeugt haben. Dabei muss allerdings eine sehr hohe Anregungsenergie aufgebracht werden. Eine dreifache magnetische Ladung in einem Gitterpunkt ist somit ein klares Indiz für einen Monopol. Doch ein Monopol kann auch unspektakulär die Ladung eines Gitterpunktes von +q nach –q ändern und umgekehrt.
Um die magnetischen Monopole im Gitter in Bewegung zu setzen und sie dabei zu beobachten, haben Branford und seine Kollegen das Gitter in ein variables Magnetfeld gebracht und es schrittweise ummagnetisiert. Nach jedem Schritt haben sie die Verteilung der magnetischen Ladungen an den Gitterpunkten mit dem Magnetkraftmikroskop aufgezeichnet. Auf diese Weise konnten sie genau verfolgen, wie einzelne magnetische Anregungen mit der Ladung ±2q durch das Gitter liefen. Mit einem mikroskopischen Modell, das sie mit Computersimulationen überprüften, konnten sie die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Monopolen ermitteln und die magnetische Hysterese des Gitters bei der Ummagnetisierung berechnen.
Da die Monopole im magnetischen Bienenwabengitter nach Wunsch erzeugt, in Bewegung gesetzt, gespeichert und detektiert werden können, eröffnen sich nach Meinung der Forscher neue Möglichkeiten der magnetischen Datenspeicherung und Datenverarbeitung.
RAINER SCHARF
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