Magnetische Wellen heizen Sonnenkorona
Forscher finden den Antrieb des Sonnenwinds - Alfvén-Wellen liefern ausreichend Energie.
Magnetische Wellen transportieren genügend Energie in die äußere Sonnenatmosphäre, um die Korona auf über eine Million Grad aufzuheizen und den Sonnenwind anzutreiben. Das zeigen Messungen mit einem Spezialsatelliten der Nasa, die ein internationales Forscherteam anstellte. Die magnetischen Wellen sind demnach über tausend Mal stärker als frühere Beobachtungen vermuten ließen.
Abb.: Die Korona der Sonne ist nur bei einer natürlichen oder künstlichen Bedeckung sichtbar. (Bild: HAO, NCAR)
"Die neuen Satelliten-Beobachtungen erlauben uns erstmals einen genauen Blick darauf, wie Energie und Materie durch die äußere Atmosphäre der Sonne transportiert wird", erläutert der Leiter der Studie, Scott McIntosh vom High Altitude Observatory in Boulder im US-Bundesstaat Colorado. Mit einer Temperatur von über einer Million Grad ist die Korona 200-mal heißer als die Photosphäre, also die Oberfläche der Sonne. Aus der Korona strömt ein Strom elektrisch geladener Teilchen mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde ins Sonnensystem hinaus, der Sonnenwind.
Seit langem vermuten die Forscher, dass Alfvén-Wellen für die Aufheizung der Sonnenkorona und den Antrieb des Sonnenwinds verantwortlich sind – spezielle magnetische Schwingungen in einem Plasma, also in einem Gas, dessen Atome ionisiert sind. Tatsächlich konnten 2007 erstmals Alfvén-Wellen in der Sonnenatmosphäre nachgewiesen werden, doch ihre Häufigkeit und ihre Stärke waren erheblich zu gering, um ausreichend Energie für die Korona und den Sonnenwind zu liefern.
McIntosh und seine Kollegen haben die Sonnenatmosphäre nun mit dem im Februar 2010 gestarteten Solar Dynamics Observatory beobachtet. Die Instrumente des Satelliten-Observatoriums zeigen Einzelheiten mit einer Größe bis hinab zu fünfhundert Kilometern – und das alle zwölf Sekunden. Insbesondere die hohe zeitliche Auflösung ist wichtig, um die schnell ablaufenden dynamischen Vorgänge in der Atmosphäre der Sonne zu erfassen. Während die neuen Messungen zeigen, dass die Energie der Alfvén-Wellen ausreichend für die Aufheizung der Korona ist, lassen sie aber weiterhin eine wichtige Frage offen: Wie geben die Wellen ihre Energie an das Gas ab? Die Beobachtungen von McIntosh und seinem Team können nun aber auch die Grundlage für ein besseres theoretisches Verständnis dieser Vorgänge bilden.
McIntosh und seine Kollegen schränken weiterhin ein, dass die Energie der Alfvén-Wellen lediglich für die Korona der ruhigen Sonne ausreichend ist. Im Bereich von aktiven Regionen, dort wo es beispielsweise zu koronalen Massenausstößen kommt, sei die Energie immer noch zu gering, um die beobachteten Phänomene zu erklären.
In einem begleitenden Kommentar in „Nature“ diskutieren Peter Cargill vom Imperial College London und Ineke De Moortel von der University of St. Andrews diese Einschränkung. Die beiden Forscher weisen darauf hin, dass eine Überlagerung zufällig orientierter Bewegungen entlang der Beobachtungsrichtung zu einer Unterschätzung der Energie der Alfvén-Wellen führen kann. Die Ergebnisse von McIntosh und seinem Team müssten deshalb als untere Grenzwerte angesehen werden - die tatsächlichen Werte könnten noch deutlich größer sein. Zudem, so Cargill und De Moortel weiter, könnten Beobachtungen mit einer noch höheren zeitlichen Auflösung zeigen, dass weitere Energie bei höheren Frequenzen transportiert wird.
Rainer Kayser
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