18.12.2013

Magnetosphärischer Chor beflügelt Elektronen

Beschleunigung energiereicher Elektronen im äußeren Van-Allen-Gürtel durch wohlklingende Plasmaoszillationen.

In den Strahlungszonen um die Erde, auch Van-Allen-Gürtel genannt, finden Prozesse statt, die Elektronen enorm beschleunigen können. Rund um die Erde befindet sich außerdem die Plasmasphäre, deren Verhalten vom Erdmagnetfeld bestimmt wird und die der Erdrotation folgt. Das Wechselspiel zwischen Van-Allen-Gürteln und Plasmasphäre ist jedoch komplex und bislang nur schlecht verstanden. Messungen der Zwillingssonden Radiation Storm Belt Probes – mittlerweile in Van Allen Probes umbenannt – weisen aber auf einen interessanten Beschleunigungsmechanismus hin, der vor allem bei starkem Weltraumwetter sehr effektiv ist. Einer Gruppe amerikanischer Forscher ist es nun gelungen, ihre Modellrechungen mit den Beobachtungsdaten zur Deckung zu bringen und damit Licht auf einen Prozess zu werfen, der nicht nur die Erdatmosphäre zwitschern lässt.

Abb.: Die schematische Darstellung der Elektronenbeschleunigung zeigt oben den Elektronenfluss vor und nach einem geomagnetischen Sturm. Anfangs treten niederenergetische Elektronen in die innere Magnetosphäre ein (1), wobei dort rhythmische Schwingungen angeregt werden (2). Dies führt zunächst zu einer erhöhten Elektronenintensität am Rand der sogenannten Plasmapause (3), die dann nach innen oder außen wandert (4; Bild: J. Bortnik; )

Als Forscher in den 1960er Jahren erstmals die Radiowellen der Magnetosphäre nachwiesen, analysierten sie diese anfangs, indem sie sie über Lautsprecher abspielten. Möglich war dies, weil diese Radiowellen niederfrequent und für menschliche Ohren hörbar sind. Je nach ihrem Klang erhielten die unterschiedlichen Komponenten Namen wie Chor, Zischen, Rauschen oder Pfeifen.

Im September und Oktober 2012 führte ein starker geomagnetischer Sturm zur Bildung eines dritten Strahlungsgürtels zwischen innerem und äußerem Van-Allen-Gürtel. Dieser neue Gürtel diente als Speicherring für Elektronen mit erstaunlich hohen Energien bis hin zu einigen Megaelektronenvolt. Bisherige Berechnungen konnten zwar zeigen, dass diese Elektronen zwar lokale Beschleunigung erfahren hatten, aber nicht den hierfür notwendigen Mechanismus angeben.

Nach dem neuen Modell gelangen Elektronen und Ionen aus dem sonnenabgewandten Magnetschweif in die erdnahe Plasmasphäre und regen diese dort zu Oszillationen an. Je nachdem, ob diese auf der Abend- oder Morgenseite der Erde liegen, führen sie zu elektromagnetischen Ionen-Zyklotron-Wellen oder zu den „Chor“-Wellen (chorus waves), die nach ihrem melodischen Klang bezeichnet sind. Letztere besitzen eine Polarisierung, die mit der Kreisbewegung der Elektronen in Resonanz treten kann und dadurch besonders effektiv Energie zu übertragen vermag. Die Elektronen erfahren so entweder eine starke Beschleunigung oder gehen in die Atmosphäre verloren. Die gewonnene Energie der Elektronen hängt dabei von der Dichte des kalten Plasmas ab.

Auch wenn die Forscher Diffusionsprozesse mit ihrem Modell noch nicht gut nachvollziehen können, beschreibt es doch den Anstieg der Phasenraumdichte und die Winkelverteilung des Beschleunigungsprozesses. Damit könnte es möglich werden, vergleichbare Phänomene auf anderen Himmelskörper mit starken Magnetfeldern wie Jupiter oder Saturn zu untersuchen.

Dirk Eidemüller

OD

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