19.05.2023

Mars mit dicker Kruste

Im Durchschnitt ist die Marskruste viel dicker als diejenige der Erde oder des Mondes.

Dank eines starken Bebens auf dem Mars konnten Forschende der ETH Zürich die globale Dicke der Kruste des Planeten bestimmen. Im Durchschnitt ist die Marskruste mit 42 bis 56 Kilometern viel dicker als diejenige der Erde oder des Mondes. So registrierte im Mai 2022 der Marsbeben­dienst an der ETH Zürich das stärkste jemals auf einem anderen Planeten beobachtete Beben. Das Ereignis mit der geschätzten Magnitude von 4,6 war vom Seismometer der InSight-​Mission der Nasa auf der Mars­oberfläche erfasst worden. „Dieses Marsbeben sandte starke seismische Wellen aus, die sich entlang der Mars­oberfläche bewegten“, sagt Doyeon Kim, Seismologe am Institut für Geophysik.

Abb.: Zweiteilung des Mars: Tiefländer (blau) dominieren die Nordhalbkugel,...
Abb.: Zweiteilung des Mars: Tiefländer (blau) dominieren die Nordhalbkugel, Hochebenen die Südhalbkugel. (Bild: MOLA / ETHZ)

Darauf hatten die Forschenden schon lange gehofft, denn Oberflächenwellen bewegen sich nicht nur vom Bebenherd zur Messstation, sondern umlaufen mehrmals den gesamten Planeten. Sie liefern deshalb nicht nur Informationen über bestimmte Bereiche des Planeten, sondern ermög­lichen eine globale Sicht. „Von diesem größten, während der gesamten InSight-​Mission aufge­zeichneten Beben beobachteten wir Oberflächen­wellen, die bis zu dreimal den Mars umkreisten“, erzählt der Seismologe. Um Aufschluss über die durchlaufenen Strukturen zu erhalten, massen die Forschenden, wie schnell sich diese Wellen bei verschiedenen Frequenzen ausbreiten.

Diese seismischen Geschwindig­keiten geben Aufschluss über den inneren Aufbau in verschiedenen Tiefen. Zuvor erlaubten die beobachteten Oberflächenwellen, die von zwei Meteoriten­einschlägen ausgingen, nur begrenzte, regionale Erkenntnisse entlang der spezifischen Ausbreitungs­pfade dieser Beben­wellen. „Dank dieses starken Bebens haben wir seismische Beobachtungen, welche die globale Struktur darstellen“, sagt Kim. Ihre neu gewonnenen Resultate kombinierten die Forschenden mit bestehenden Daten zur Schwerkraft und Topografie des Mars, und konnten so die Dicke der Marskruste bestimmen. Sie beträgt durch­schnittlich 42 bis 56 Kilometer. Am dünnsten ist die Kruste im Bereich der Isidis-​Tiefebene mit durch­schnittlich zehn Kilometern, am dicksten in der Provinz Tharsis mit neunzig Kilometern. Zum Vergleich: Die Erdkruste hat aufgrund seismischer Daten eine mittlere Dicke von 21 bis 27 Kilometer; die Dicke der Mondkruste, welche die Seismometer der Apollo-​Missionen eruierten, liegt zwischen 34 und 43 Kilometer.

„Damit ist die Marskruste viel dicker als die Kruste der Erde oder des Mondes“, sagt Kim. Generell hätten kleinere Planetenkörper in unserem Sonnen­system eine dickere Kruste als größere, sagt der Forscher: „Wir hatten Glück. Auf der Erde wäre es für uns schwierig gewesen, mit einem vergleichbar starken Beben wie dem auf dem Mars die Dicke der Erdkruste zu bestimmen. Der Mars ist kleiner als die Erde, er kann aber auch die seismische Energie effizienter trans­portieren.“ Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Forschung betrifft den Unterschied zwischen der Nord-​ und Südhalbkugel des Mars. Diesen Kontrast beobachtet man, seit es Teleskope gibt; auf Bildern von Mars­satelliten ist er besonders gut zu sehen: Der Norden besteht aus flachen Tiefebenen, während es im Süden hohe Berge gibt. Die Aufteilung in nörd­liches Tiefland und südliches Hochland wird Mars-​Dichotomie genannt.

„Man könnte annehmen, dass sich dieser Unterschied durch zwei verschiedene Gesteins­zusammensetzungen erklären ließe“, sagt Kim: „Das eine Gestein wäre dichter, also schwerer als das andere.“ Oder aber die Zusammensetzung ist im Norden und Süden dieselbe, doch die Dicke der Kruste unterscheidet sich. Wenn die Kruste im Süden dicker ist, befindet sich weniger von dem dichteren Material des Marsmantels unter ihr, während unter einer dünneren Kruste im Norden mehr von diesem schwereren Material vorhanden ist.

Genau dies konnten die Forschenden nun nachweisen. „Anhand der seismischen Beobachtungen und der Gravitations­daten zeigen wir, dass die Dichte der Kruste im nördlichen Tiefland und im südlichen Hochland ähnlich ist“, schreiben die Forschenden. Dagegen reicht die Kruste auf der Südhalbkugel in eine größere Tiefe als auf der Nordhalbkugel. „Diese Erkenntnis ist spannend und ermöglicht es uns, eine langjährige wissen­schaftliche Diskussion über den Ursprung und die Struktur der Marskruste zu beenden“, sagt Kim. Denn bereits im vergangenen Jahr lieferte die Analyse von Meteoriten­einschlägen auf dem Mars Hinweise dafür, dass die Krusten im Norden und Süden aus demselben Material bestehen.

Aus der Dicke der Marskruste lassen sich noch weitere Schlüsse ziehen. „Unsere Studie erklärt, wie der Planet Wärme erzeugt und wie er sich thermisch entwickelt hat“, sagt Kim. Als Planet, der anders als die Erde nur über eine einzige Platte verfügt, erzeugt in seinem Inneren vor allem der Zerfall von radio­aktiven Elementen, wie Thorium, Uran und Kalium, Wärme. Die Studie ergibt, dass sich fünfzig bis siebzig Prozent dieser Wärme produ­zierenden Elemente in der Marskruste befinden. Diese starke Anreicherung könnte erklären, dass es darunter lokale Regionen gibt, in denen bis heute möglicher­weise Schmelzprozesse stattfinden.

ETHZ / JOL

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