Maschinelles Lernen liefert Teilchenstrahlen nach Maß
Optimierte Steuerung der Strahlparameter kompakter Plasmabeschleuniger.
Per maschinellem Lernen hat ein Forschungsteam einem kompakten Teilchenbeschleuniger beigebracht, maßgeschneiderte Strahlen für verschiedene Anwendungen zu liefern. Die Technik erweitert den denkbaren Einsatzbereich von Laser-Plasmabeschleunigern, kompakte Beschleuniger der nächsten Generation, die sich noch in der Entwicklung befinden.
Teilchenbeschleuniger haben zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, von der Forschung über die Medizin bis hin zur Untersuchung von Frachtgut durch den Zoll. „Diese verschiedenen Verwendungszwecke stellen unterschiedliche Anforderungen an den erzeugten Teilchenstrahl“, sagt Andreas Maier, Leitender Wissenschaftler für die Laser-Plasmabeschleunigung bei Desy. „Für eine medizinische Behandlung kann etwa ein Strahl mit einer bestimmten Energie erforderlich sein, während manche Physikexperiment einen Strahl mit bestimmter elektrischer Ladung benötigen.“ Bei großen konventionellen Maschinen lassen sich diese Eigenschaften leichter einstellen, weil sie nicht so empfindlich auf Änderungen der Betriebsparameter reagieren.
Plasmabeschleuniger können jedoch rund tausendmal kleiner sein als konventionelle Anlagen. Was bei Bau, Betrieb und Anwendung einen großen Vorteil verspricht, ist bei der Steuerung der Strahlparameter eine Herausforderung. „Da die Beschleunigung auf sehr kleinem Raum stattfindet, beeinflussen sich die verschiedenen Einstellmöglichkeiten gegenseitig“, erläutert Maier. „Ändern wir also eine Eigenschaft des beschleunigten Elektronenpakets, etwa die Anzahl der Elektronen, kann dies leicht eine andere Eigenschaft beeinträchtigen wie beispielsweise die Verteilung der Energien der Elektronen.“ Um das zu verhindern, müssen die Beschleunigerphysikerinnen und -physiker im Prinzip behutsam an allen Einstellmöglichkeiten gleichzeitig drehen, um die verschiedenen Eigenschaften des Elektronenpakets auszubalancieren. Allerdings ist es für Menschen sehr schwierig, den richtigen Kompromiss zwischen den vielen unterschiedlichen Einstellparametern zu finden. Im vorliegenden Fall waren es sechs verschiedene Parameter.
„Computer sind viel geschickter darin sich in diesen hochdimensionalen Parameterräumen zurechtzufinden“, sagt Sören Jalas. „Für unseren Beschleuniger haben wir uns einer Methode bedient, die Bayessche Optimierung genannt wird. Dabei übernimmt im Grunde der Computer die Kontrolle über den Beschleuniger. Er probiert einige Konfigurationen der Maschine aus und misst die Parameter des Elektronenpakets, das der Beschleuniger ausspuckt. Aus den Messungen generiert der Computer nach und nach eine Art Landkarte und findet somit die Parameterkurven die uns zeigen, was wir einstellen müssen, um auf optimale Weise die Eigenschaften des Elektronenpakets zu bekommen, die wir gerade benötigen.“
Bei ihrem experimentellen Plasmabeschleuniger LUX haben die Forschenden dies zunächst für die Energie und die elektrische Ladung der Teilchenpakete eingesetzt. „Es ist aber denkbar, das auf andere Strahleigenschaften wie etwa die Emittanz auszudehen“, betont Jalas. Das Verfahren soll auch beim großen Plasmabeschleuniger Kaldera zum Einsatz kommen, der derzeit bei Desy aufgebaut wird. „Dieser Einsatz des maschinellen Lernens rückt die Anwendung von Plasmabeschleunigern in greifbare Nähe und erweitert gleichzeitig die Einsatzmöglichkeiten der kompakten Anlagen“, betont Beschleunigerdirektor Wim Leemans.
DESY / JOL