18.09.2017

Massiver Eisverlust in der Arktis

Mit nur noch 4,7 Millionen Quadratkilometern Eisfläche setzt sich der Trend zum Rückgang des Meereises fort.

In diesem September ist die Fläche des ark­tischen Meereises auf eine Größe von etwa 4,7 Millionen Quadrat­kilometern abge­schmolzen. Dies stellten Wissen­schaftler des Alfred-Wegener-Instituts sowie der Univer­sitäten Bremen und Hamburg fest. Die Fläche ist damit etwas größer als im vergangenen Jahr, liegt jedoch im Mittel der letzten zehn Jahre und zugleich weiterhin deutlich unter den Werten von 1979 bis 2006. Die Nordost-Passage war für Schiffe ohne Unter­stützung von Eisbrechern befahrbar.

Abb.: Mit Laserscannern und einer elektromagnetische Sonde kann die Eisfläche in der Arktis bestimmt werden.(Bild: E. Horvath, AWI)

Das Meereis der Arktis gilt als kritisches Element im Klima­geschehen und als Frühwarn­system für die globale Erwärmung. Aus diesem Grund ist das September­minimum ein wichtiger Indikator für Klima­änderungen. Trotz eines besonders warmen Winters erreicht das Meereis in diesen Tagen zwar kein neues Rekord­minimum, der Eisverlust ist dennoch massiv. „Wir befinden uns mit dem diesjährigen Wert weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. So ist die jeweils im September gemessene Meereis­fläche in den vergangenen elf Jahren geringer gewesen als in allen Jahren davor“, sagt der Meereis­physiker Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung AWI.

Im Winter war die Arktis noch unge­wöhnlich warm. Nie zuvor war die Meereis­ausdehnung im März so gering wie dieses Jahr. „In einem relativ kalten Sommer konnte sich das Meereis dann etwas erholen, doch das diesjährige September­minimum ist keines­falls als Entwarnung zu verstehen“, betont Lars Kaleschke vom Centrum für Erdsystemf­orschung und Nachhaltig­keit an der Universität Hamburg. „Die Größe der Meereis­fläche unterliegt zwar natür­lichen Schwankungen, der lang­fristige abneh­mende Trend ist aber eindeutig.“ In den 1970er und 1980er Jahren lagen die sommer­lichen Minimum­werte noch bei durch­schnittlich rund sieben Millionen Quadrat­kilometern.

Die jeweils aktuelle Meereis­fläche wird mit Hilfe von Satelliten bestimmt. Die besonders hochauf­gelösten Mikro­wellen-Satelliten­daten, die von den Univer­sitäten Bremen und Hamburg gemeinsam erstellt werden, erlauben eine genaue Analyse der täglichen Meereis­bedeckung in der gesamten Arktis. „Dies ist besonders auch für die Schifffahrt interessant. Die Nordost-Passage entlang der russischen Küste war in diesem Sommer ohne Eisbrecher­unter­stützung befahrbar und auch die Nordwest-Passage wurde von vielen Schiffen durchquert“, sagt Gunnar Spreen vom Institut für Umwelt­physik an der Uni­versität Bremen.

Schon mehrere Monate vor dem September­minimum infor­mierten Wissen­schaftler weltweit in der Meereis­prognose „Sea Ice Outlook“ über die zu erwartende minimale Meereis­fläche. Das Alfred-Wegener-Institut hat in diesem Jahr mit zwei Vorhersage­methoden zur arktischen saisonalen Meereisvorhersage beigetragen. Beide Prognosen kamen auf ähnliche Werte, die fast dem tatsächlich beobachteten September­minimum entsprechen. So prognos­tizierte bereits im Juli ein dyna­misches Vorhersage­modell ein September­minimum von 4,93 Millionen Quadrat­kilometern. Ein statis­tisches Modell berechnete zur selben Zeit einen Wert von 4,74 Millionen Quadrat­kilometern.

Die räumlichen Muster der Eisaus­dehnung unter­schieden sich in diesem Jahr von denen des letzten Jahres sowie vom langjährigen Muster. Während dieses Jahr weniger Eis in der Tschuk­tschensee und der Ostsibi­rischen See verzeichnet wurde, gibt es dafür mehr Eis nördlich von Spitzbergen und in der Beaufort­see als in 2016. Die Oberflächenschmelze begann in einigen Rand­regionen des Ark­tischen Ozeans ziemlich früh. In großen Teilen des zentralen Ark­tischen Ozeans lag der Schmelzbeginn jedoch ein paar Tage später als der Durch­schnitt von 1981 bis 2010. Der Zeitpunkt des Schmelz­beginns ist nicht nur für die Gesamt­masse des Meereises von Bedeutung, sondern bestimmt auch den Lebens­zyklus der Orga­nismen im und unter dem Meereis.

Die Meereis­dicke wurde in den vergan­genen Wochen während der TIFAX-Kampagne (Thick Ice Feeding Arctic Export) mit Flugzeug­messungen untersucht. Dabei kamen Laserscanner sowie eine geschleppte elektro­magnetische Sonde zum Einsatz. Im Untersuchungs­gebiet nördlich der Framstraße, zwischen Grönland und Spitz­bergen lag die Eisdicke mit rund 1,7 Metern etwa 50 Zentimeter über der im Jahr 2016 gemessenen Eisdicke. Grund hierfür dürfte unter anderem ein höherer Anteil an mehrjährigem Eis sein, der in diesem Jahr in der Messgegend präsent war. Die gemessenen Werte liegen aber dennoch rund 30 Prozent unter der in 2001 und 2004 beobach­teten Dicke. „Insgesamt stellen wir fest, dass das Meereis trotz des warmen Winters nicht außer­gewöhnlich dünn war. Dies liegt vermutlich auch daran, dass die geringe und dünne Eisdecke des letzten Sommers – immerhin die zweit­geringste überhaupt – besonders schnell ange­wachsen und dicker geworden ist, da dünnes Meereis schneller wächst als dickeres“, ordnet Marcel Nicolaus die Messungen ein.

Der genaue Wert des Meereis­minimums im Jahr 2017 wird als Monats­mittelwert für den September angegeben und kann entsprechend erst im Oktober ermittelt werden. Er wird voraus­sichtlich bei etwa fünf Millionen Quadrat­kilometern für den September 2017 liegen. Die Wissen­schaftler resümieren: „Die geringe Ausdehnung des arktischen Meereises reiht sich in die niedrigen Werte der letzten Dekade ein. Wir rechnen nicht damit, dass es in den kommenden Jahr­zehnten noch einmal Eisbe­deckungen von sechs oder sieben Millionen Quadrat­kilometern geben wird, wie sie noch bis ins Jahr 2000 typisch waren.“

AWI / JOL

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